Heimspiel

London Symphonie Orchestra und Sir Antonio Pappano bei den Dresdner Musikfestspielen

Obwohl Sir Antonio Pappano nicht regelmäßig jedes Jahr zu den Dresdner Musikfestspielen zurückkehrt, ist seine Verbindung zu Dresden und Jan Vogler doch eng. Mit dem Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia war er in Dresden zu Gast, auch bei der Sächsischen Staatskapelle haben wir ihn erlebt. Zuletzt konnten wir das Gewandhausorchester mit Igor Levit unter Leitung von Sir Antonio Pappano hören [unser Bericht: https://neuemusikalischeblaetter.com/2025/01/22/unerhort/].

Also war es gestern fast schon ein Heimspiel, als der kosmopolitische Londoner mit seinem Orchester, dem London Symphonie Orchestra, die Dresdner Musikfestspiele besuchte. Pappano hat sich dezidiert mit historischer Aufführungspraxis befaßt, arbeitet aber auch mit den führenden Sinfonieorchestern zusammen. Insofern durfte man auf die Kombination von Mozart und Berlioz gespannt sein.

Der Anfang entsprach den Erwartungen: einen »knackigen« Mozart präsentierte das London Symphonie Orchestra mit der Ouvertüre zu »Le nozze di Figaro« (KV 492) und dem Violinkonzert A-Dur (KV 219). Dabei zeigte sich eine ephemere Leichtigkeit, ein »flugfähiger« Mozart quasi, der dennoch eine gehörige Verve entwickeln konnte, einerseits durch Tremoli angeregt, andererseits aus der Spannung der Gegensätze bezogen, wenn die Bässe ihren Strich bzw. Schlag betonten und mit der Pauke vereinten.

Ganz bei Mozart: Lisa Batiashvili und Sir Antonio Pappano, London Symphonie Orchestra, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Oliver Killig

Der leichte Orchesterklang bescherte Wolfgang Amadé Mozarts Violinkonzert eine feine Höhe, in die sich alsbald auch Lisa Batiashvilis Guarneri del Gesù aufschwang. Lyrische Kantabilität ist ein Markenzeichen der Geigerin, worin ihr Antonio Pappano gern folgte, mit sanften Linie, leisen Wiederholungen und blitzsauberen Hörnern. Weniger Rauhigkeiten als Akzente durch Pausen sorgten für eine sachte Bestimmung. Das Andante zeigte, daß Mozart nicht auf dem Weg zur Romantik war, sondern an deren Anfangspunkt steht – kaum weniger als eine Romanze erklang hier mit Lisa Batiashvili. Im motivischen Wechsel neckten sich Solistin und Orchester zunächst, um sich bald zu umschmeicheln.

Leicht und beschwingt blieb das Rondeau, daß die Qualitäten eines Menuetts eingeflochten behielt. Die Gegensätze blieben sanft, selbst wenn sie teils groß waren, wie in den modernen Kadenzen (die einer ihrer Schüler und 15jähriger Stipendiat geschrieben hat), die Lisa Batiashvili in Mozarts Rokoko einflocht, oder – nun original Mozart – der beherzten Alla-turca-Passage, mit der der Komponist die damalige Türkenmode Wiens aufgegriffen hatte.

Fetzige Zugabe: Lisa Batiashvili und Roman Simovic, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Oliver Killig

Als Zugabe spielte Lisa Batiashvili gemeinsam mit dem Konzertmeister der Londoner, Roman Simovic, eines der Duos für zwei Violinen von Béla Bartók.

Mit der Symphonie fantastique von Hector Berlioz gab es nach der Pause eine vollkommen andere Klangfarbe und eine neue Seite an Sir Antonio Pappano zu entdecken. Das London Symphonie Orchestra präsentierte darin einen modernen Klang, der sich sogleich in zwei (und mehr) Ebenen aufspaltete – motivisch tragende Verläufe an der »Oberfläche« und dunkel bis düster wogende Gefilde darunter. Bald schon schälten sich aus dem zunächst allmählich wachsenden Klang rhythmische Akzente und doppelbödige, emotionale Strömungen. Mit einem Mal brach der Klang, zeigte gewollt grelle Seiten – Träume, Leidenschaft und Sabbatnacht verlangen nach abseitigen, teuflischen Farben!

Die fand Antonio Pappano, gewürzt mit Harfen und Glocken, in harmonischer Reinheit – vielleicht ein bißchen zu glatt manchmal, (noch) mehr Verwegenheit hätte man sich da gewünscht.

Die Solisten der Londoner erwiesen sich als teils verführerisch, vor allem Flöten, Oboe und Englischhorn, dessen Solo an ein ganz anderes (in Wagners »Tristan«) denken ließ. Die Klarinette erwies sich als »Zündlerin«, die das Sabbatfeuer entfachte. Glocken und stampfende Bässe ließen diese verwegene Nacht gipfeln – da brauchte es wohl eher eine Beruhigung als noch eine Erhöhung. Sir Antonio Pappano wählte für die Zugabe daher keine Spritzigkeit à la Rossini, sondern Gabriel Faurés träumerische Pavane.

31. Mai 2025, Wolfram Quellmalz

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