Wiener Gold und Dresdner Blut

Petr Popelka und die Wiener Symphoniker bei den Dresdner Musikfestspielen

Das war am Mittwoch eine doppelte, wenn nicht mehrfache Rückkehr: Im Januar hatte Petr Popelka sein früheres Orchester, die Sächsische Staatskapelle Dresden, als Dirigent besucht. Nun zog er zu den Dresdner Musikfestspielen mit seinem aktuellen, den Wiener Symphonikern, in den Kulturpalast ein. Popelka ist seit September Chefdirigent in Wien, seinen Intendanten kennt er aus Dresdner Zeiten: Jan Nast war bis 2019 Orchesterdirektor der Staatskapelle.

Volle Aufmerksamkeit: Petr Popelka, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Stephan Floss

Ob sie den Kulturpalast mit der Ouvertüre C-Dur »Die Weihe des Hauses« von Ludwig van Beethoven noch einmal weihen wollten? Dabei klang selbst Beethovens  Maestoso e sostenuto kein Jota zu weihevoll. Eher nahm Petr Popelka den Anfang in einer historisch-informierten, »knackigen« Art. Oder schlicht mitreißend. Der satte Orchesterklang aus konturierten Bläsern und sanftem Tutti-Pizzicato erwies sich als ungemein tragfähig. Mit dem Wechsel vom Pizzicato zum Legato sorgten vor allem die Streicher für leichtes Pathos, aber eben maßvoll. Das Allegro con brio durfte danach sanft fließen, bis die Bläser einen kraftvollen Sog in Richtung aufwärts entwickelten, der in den Blechbläsern gipfelte – in jeder Hinsicht erfrischend!

Mit Renaud Capuçon verbindet Petr Popelka, daß er vor einiger Zeit ebenso vom Instrument ans Dirigentenpult gewechselt ist. Capuçon ist heute unter anderem Chef in Lausanne, dirigiert aber weniger ausschließlich als sein Kollege und ist weiterhin als Solist tätig. Für Dresden hatte er sich – am Vortag von dessen 127. Geburtstag – Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert Opus 35 D-Dur ausgewählt. Auf Klassizismus folgte sozusagen Jugendstil, der aus einem mit wehenden Vorhängen verdunkelten Salon zu kommen schien. Geschmeidigkeit, Gediegenheit und Kantabilität herrschten vor, aber immer wieder auch nähert sich Korngold der Filmmusik – schließlich hat er sie praktisch erfunden, sein Violinkonzert steht letztlich am Anfang dieser Entwicklung.

Stimmungsvolle Bildbeschreibung: Renaud Capuçon, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Stephan Floss

Der Dialog des Solisten mit den Orchesterstimmen (zweite Violine, Harfe, Horn) wirkte nüchtern, beinahe kühl – kein Pathos galt auch hier! Um so mehr aber Gesanglichkeit und klare Kontur, in einzelnen Stimme ebenso wie in einem Quartett der ersten Geigen, die ein kurzes Nocturne formten. Petr Popelkas Dirigat blieb oft unaufdringlich, die linke Hand hielt auch einmal inne, um den Klang zu stabilisieren, oder zeigte einen minimalen Anstieg im Crescendo nur mit den Fingerspitzen an. Die Ausführung gelang präzise und erlaubte Höreindrücke der Instrumentengruppen, aber auch feine Schattierungen wie einen Nocturne-Charakter, der aufs ganze Orchester überging.

Als Zugabe hatte sich Renaud Capuçon, von der Solo-Harfe begleitet, Jules Massenets »Meditation« (aus »Thaïs«) ausgewählt.

Alle Walzer! Petr Popelka mit den Wiener Symphonikern, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Stephan Floss

Nach der Pause wurde die Möglichkeit der Orchesterentdeckung noch größer. Auch zeigte sich, was die Idee hinter der scheinbar eigentümlichen Programmkombination mit Josef Strauss‘ Dynamiden-Walzer und Richard Strauss‘ Rosenkavalier-Suite war: Zwischen dem Werk der Wiener Walzer-Dynastie und dem Münchner Komponisten gibt es eine Motiv-Verbindung – ein Stück aus dem Dynamiden-Walzer hat Richard Strauss im »Rosenkavalier« parodiert.

Zunächst mußte sich der Walzer ein wenig ein- bzw. ausrollen, bevor der Schwung offensichtlich wurde. Eine gute Gelegenheit für das Orchester, seine Idiomatik vorzuführen, die ureigene, natürlich Wienerische Klangsprache. Die schließt nicht nur einen »goldenen Bogen« und leuchtende Bläser ein oder vertrackte rhythmische Verschiebungen, sondern manche besonders effektvolle Stimme. Nicht nur bei den Bläsern – die Violinen konnten herrlich »zwitschern«!

Goldene Gediegener: die Wiener Symphoniker, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Stephan Floss

Die »Geheimen Anziehungskräfte« (Untertitel) des einen Strauss bleiben beim anderen erhalten, hatten sich aber harmonisch verändert, schienen fast abzugleiten – im »Rosenkavalier« wird eben eine untergehende Welt dargestellt. Nun durfte Petr Popelka aus dem vollen schöpfen, die Gruppe der Celli oder die Oboe singen lassen – man hörte praktisch die Worte von Baron, Marschallin, Octavian und Sophie, so schön dialogisierten Soli wie von Konzertmeister und Oboe. Wie weit ist es da, bis Petr Popelka einmal in Dresden den ganzen »Rosenkavalier« …?

Zunächst verabschiedete er sich mit zwei Schnell-Polkas, fast zu knapp, da hätte für manchen Besucher wohl durchaus eine Suite der Wiener Sträusse folgen dürfen.

30. Mai 2025, Wolfram Quellmalz

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