Frauenkirchenorganist Niklas Jahn folgte im ersten Zykluskonzert verschiedenen Aspekten
Seit dem Beginn des Kirchenjahres ist Frauenkirchenorganist Niklas Jahn in Dresden im Amt. Die ersten Monate hat er bewußt dafür genutzt, mit dem Haus und den Dienstabläufen vertraut zu werden, schließlich liegt in der Begleitung von Gottesdiensten, Andachten und Veranstaltungen wie Eheschließungen seine hauptsächliche Tätigkeit. Nachdem er im Mai erstmals mit einem Antrittskonzert in der Frauenkirche in Erscheinung getreten ist, folgte am Mittwoch planmäßig sein Einstieg als einer der drei Hauptorganisten beim Dresdner Orgelzyklus. Bis zum Jahresende wird er nun noch mehrmals an der Kern-Orgel zu erleben sein.
Für sein erstes Zykluskonzert hatte sich den leicht klingenden Titel »Sommertänze« gewählt und vereinte darin verschiedene Bereiche seiner Arbeit, denn das reine Musizieren bzw. Konzertieren kam auf liturgische Anlässe ebenso zurück wie es Improvisationen einschloß, eine Disziplin, die für die Besetzung der Stelle wesentlich war und von der man Niklas Jahn nachsagt, er würde sie besonders gut beherrschen.

Zu sagen, daß sich der neue Frauenkirchenorganist mit dem Beginn seiner Auswahl als »waschechter Kirchenmusiker« darstellen wollte, wäre wohl übertrieben. Johann Sebastian Bach ist in seiner Bedeutung für die Kirchenmusik schlicht in der Rolle eines der wesentlichen Repräsentanten oder sogar einer Vaterfigur. Sein Präludium und Fuge C-Dur (BWV 531) mit Fanfarenmotiven erhob sich »kräftigen Schrittes« im Kirchenschiff – das vertrauensvolle christliche Ausschreiten mochte man ebenso darin entdecken wie die Notwendigkeit, gegen die Geräuschkulisse des Palaissommers vor der Tür anzuspielen. Trotzdem enthielt das Werk bereits luftigere, improvisatorischere Elemente, und die Fuge ließ bereits jene Munterkeit vorausahnen, die später mit Mozart folgen sollte.
Zunächst aber überließ Niklas Jahn mit Choralbearbeitung »Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’« (BWV 662) Johann Sebastian Bach noch ein zweites »Wort«. Das verwies nicht nur auf die liturgische Bedeutung Bachs oder eines Frauenkirchenorganisten, es sorgte sogleich mit einer beruhigenden Stimmung der Zuversicht und mit der herausgearbeiteten Melodiestimme für einen Punkt der Kontemplation.
Wolfgang Amadé Mozart war in seinen frühen Jahren Hoforganist, leider jedoch sind von der ausgeübten Tätigkeit nur traurig wenige Arbeiten durch Noten überliefert. Niklas Jahn wählte daraus die Fantasie f-Moll (KV 608) sowie das Andante F-Dur (KV 616) aus, wobei vor allem die Eckpassagen der Fantasie erneut kräftig daherkamen – flott und durchdringend scheint es Niklas Jahn zu mögen. Daß er künftig noch mehr differenzieren könnte, zeigten ruhig fließende und später auch schillernde Passagen (in den Improvisationen), in denen der Organist sein Vermögen, zu differenzieren, bewies. So wie im Mittelteil der Fantasie, das »flötig« erklang und bereits eine liedhafte Verspieltheit erreichte. Mit dieser Geläufigkeit lenkte er auf den nicht nur der Mitte wegen zentralen Teil des Werkes – hier lag der Ursprung der Fantasie, während die technisch brillanteren Teile wie ein Prä- und ausgedehntes Postludium nur darauf hinzuarbeiten bzw. davon abzuleiten schienen.
Die Geläufigkeit oder nunmehr wohl eher Bedachtsamkeit hob nicht weniger das Andante hervor, das Mozarts Kunst, auf kleinstem Raum eine Andacht zu gestalten, Glücksmomente zu schaffen, offenbarte. Es zeigte: mag es Niklas Jahn auch flott und kräftig mögen (wenn es denn stimmt), den Fehler jugendlichen Ungestüms, den Schlußakkord übermäßig zu betonen, machte er nicht, sondern ließ diesen leicht verzögert ausklingen (ganz als hätte er Alfred Brendels Hinweis »Nach dem Schlußakkord« [Hanser] beherzigt).
Niklas Jahns erste Musikstunde im Rahmen des Orgelzyklus war aber auch strukturiert, denn auf den kleinen Bach- und Mozartblock folgte ein solcher mit eigenen Improvisationen. Am freiesten vielleicht in »Danse bizarre«, am »frechsten« bei »Farbenglück« zu Christian Morgensterns gleichnamigem Gedicht (endet es doch: »ich weiß nicht, wem von allen diesen, schenk‘ ich meine Gunst und meine Kunst«). Oft ließ Niklas Jahn Tonverflechtungen wachsen oder verschmolz sie, ließ sie »stehend« verharren, um gleichzeitig etwas Neues zu beginnen und so Überleitungen zu schaffen. Während beim Danse rhythmische und kräftige Impulse vorherrschten, gewannen bei Morgenstern die Farben (also nicht die Frage, wem er seine Kunst schenke). Die abschließenden Symphonischen Variationen zu »Wir danken dir, Herr Jesu Christ« (EG 107) im französisch-impressionistischen Stil erinnerte an Variationen, die – wie im Gemeindegesang – in den Strophen mit den Registern arbeitet.
19. Juni 2025, Wolfram Quellmalz
In den beiden Oktoberkonzerten des Orgel-Zyklus in der Frauenkirche wird Niklas Jahn spontan improvisieren und französische Musik spielen.