Willkommen und Abschied

Dresdner Kreuzchor verabschiedet Abiturienten und begrüßt den Sommer

Dresdner Kreuzchor verabschiedet Abiturienten und begrüßt den Sommer

Am Sonnabend blickte der Dresdner Kreuzchor in seiner Vesper einmal nicht auf den folgenden Sonntag (1. Sonntag nach Trinitatis), sondern auf das Johannisfest am Dienstag. Außerdem war es die letzte Vesper im Schuljahr und vor der Sommerpause.

Trotzdem wollen wir vorab noch einmal um eine gute Woche zurückblicken, denn am 13. Juni schon waren die Cantores Minores aus Finnland wieder einmal in der Kreuzkirche zu Gast und gestalteten eine Geistliche Abendmusik. Die Cantores Minores bzw. der Domknabenchor Helsinki ist ein Partnerchor des Dresdner Kreuzchores und war zuletzt im November 2023 in Dresden. Damals hatte er eine Kreuzvesper gestaltet und mit dem Kreuzchor das Deutsche Requiem am Volkstrauertag aufgeführt. Jetzt kamen die Cantores Minores mit ihrem Leiter Hannu Norjanen und dem Organisten Olli Saari im Rahmen ihrer 70. Internationalen Konzerttournee zurück und zogen singend mit einem Exsultate, jubilate ein. Außerdem boten sie Johann Sebastian Bachs »Singet dem Herrn ein neues Lied« (BWV 225), Jan Sandströms »I saw the water« (nach Hesekiel 47:1 und Psalm 107) sowie das Gloria in excelsis von Ivo Antonini dar. Auch Johannes Brahms stand wieder auf dem Programm (»Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz«) sowie »Auringon noustessa« von Toivo Kuula. Olli Kuula hatte mit einem eigenen Werk, »Ritual«, sogar eine Uraufführung dabei. Am besten gelang vielleicht Brahms‘ Psalmvertonung, schlank und im Klang an einen gemischten Kammerchor erinnernd.

Brahms stand in der Johannis-Vesper des Dresdner Kreuzchores nicht auf dem Programm, dafür aber wieder einmal Jaako Mäntyjärvis Canticum calamitatis maritimae, das der Komponist den Opfern des Untergangs der Estonia am 28. September 1994 gewidmet hat. Die Cantores Minores hatten das lateinisch verfaßte Lied (nach einem Nachrichtentext) vor zwei Jahren in ihrem Vesperprogramm gehabt.

Jules Breton »La fiesta de San Juan« (Johannisfest, Ölfarbe auf Leinwand, 1875), Philadelphia Museum of Art, Bildquelle: Wikimedia commons

Eröffnet wurde die Vesper zum Johannisfest mit dem Introitus, den Wilfried Krätzschmar dem Kreuzchor vor zwei Jahren geschrieben hat. Das Stück ist so frisch wie am Tag der Uraufführung, bringt mit auf- und absteigenden Melodiestücken die Aussendung des Boten des Herrn ebenso näher wie dessen Ankunft im Zuhause. Die Ausmalung des Grünens und Blühens (Psalm 92, 13 bis 16) wurde durch den Wechselgesang der beiden Teilchöre und ihre dynamischen Schattierungen besonders lebendig dargestellt.

Mit Heinrich Schütz‘ »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes« (SWV 386) führte der Kreuzchor nicht nur ein Stück seines Kernrepertoires auf, er beflügelte die Geistliche Chormusik geradezu, verlieh ihr einen »Wow-Effekt«, so emphatisch, impulsiv und doch authentisch trug er das Werk vor. Chorleiter Sebastian Herrmann begleitete an der Continuoorgel und folgte dem Ausdruck um kein Jota versetzt – es schien, als sei das ganze Licht der Renaissance in diesen Gesang eingeschlossen!

Mit zwei Werken von Andreas Hammerschmidt, »Wohl dem, dem die Übertretung vergeben sind« sowie »Jauchzet Gott alle Land« (beide aus den Musicalischen Andachten, Vierdter Theil), hielt der Höhepunkt an – nicht nur das »Jauchzet« schien, mehrfach aufgerichtet, in eine positive Zukunft zu verweisen. Und gleichzeitig war es (oder ist, denn die Kruzianer sind in diesen Tagen auf Gastspielreise) ein grandioser Abschluß für die Abiturienten, die den Chor nun verlassen.

Offiziell wurden sie im Rahmen der Vesper mit einem Dank von Marin Lehmann verabschiedet. Der Kreuzkantor wünschte ihnen allen, daß sie auch künftig einen Ort fänden (wo immer der sei), an dem sie fröhlich musizieren könnten. An den Dank und die Wünsche schloß sich Holger Milkau in seinem Wort zum Sonntag an.

Anton Matthes, der selbst vor nicht allzu langer Zeit Kruzianer war und sich jetzt einem Studium der Kirchenmusik widmet, kam als Organist zurück an seine ehemalige Wirkungsstätte. Der erste Satz aus Felix Mendelssohns Sonate gehörte neben der Begleitung der Gemeinde zu seinen Aufgaben, wobei Anton Matthes für »Wir wollen sing’n ein‘ Lobgesang« (EG 141) eine besonders raffinierte Einleitung mit minimalistischen Anklängen ausgewählt (oder erfunden) hatte.

Canticum calamitatis maritimae von Jaako Mäntyjärvi sorgte in all dem fröhlichen Musizieren und Ausblicken für einen berührenden Moment des Innehaltens. Die Kraft dieses Werkes, das Glockentöne ebenso enthält wie Requiem-Sequenzen, machte sich ganz unmittelbar deutlich, so daß auch der, der es noch nicht kannte, mahnend erinnert oder darauf gelenkt wurde, den Text zu verfolgen.

Nach dem tragischen, aber würdevollen Erinnern gab es wieder einmal solistische Leistungen zu bewundern, denn Johann Hermann Scheins »Christe, der du bist Tag und Licht« und Heinrich Schütz‘ »Ich beuge meine Knie« (SWV 319) standen für die schlichte, zu Herzen gehende Liedform des Geistlichen Konzerts.

Von den Momenten der Trauer und der inneren Einkehr leitete der Kreuzchor mit Urmas Sisasks Laudate Dominum mit seiner wachsenden Präsenz zu einem Stück über, das seine inliegende Kraft bis zum »Amen« steigerte.

Den Abschluß und Abschied gab es noch einmal mit Johann Abraham Peter Schulz‘ »Der Mond ist aufgegangen« – quasi etwas »anachronistisch«, denn wenige Tage vor Neumond war der Mond an diesem Sonnabend tatsächlich schon kurz nach 17:00 Uhr untergegangen!

24. Juni 2025, Wolfram Quellmalz

Der Dresdner Kreuzchor ist noch bis zum Ende der kommenden Woche auf Konzertreise. Auf das benachbarte Freiberg folgten und folgen unter anderem Auftritte in Bonn, St. Blasien, Münchenstein (Schweiz), bevor es nach Norddeutschland geht. Am kommenden Sonnabend beginnt in der Dresdner Kreuzkirche wieder der Orgelsommer, der in der Ferienzeit die Vespern ersetzt.

https://kreuzkirche-dresden.de/

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