Halbzeit beim Bach-Zyklus von Sebastian Freitag
Hochsommer. Die Vögel haben ihre Gesänge eingestellt, nur die Amseln singen in der Dämmerung, die Spatzen schwatzen in den Hinterhöfen und die Mauersegler kreischen – die betörenden Vogelchöre sind jedoch verstummt. Dafür ließ Domorganist Sebastian Freitag die Silbermann-Orgel der Katholischen Hofkirche Dresden (Kathedrale) erklingen. Vorgestern erreichte er mit dem siebenten Konzert den Mittelpunkt seines Bach-Zyklus‘.
Es ist erstaunlicherweise der erste am Hause – ob Sebastian Freitag Bach und Silbermann damit ein wenig versöhnt? (Oder sogar sehr?) Die Zeitgenossen sollen sich ja distanciert gegenübergestanden haben.
Am Freitag erklangen einige Jugendwerke, aber auch einige der italienischsten Kompositionen Johann Sebastian Bachs. Neben selten zu hörenden Choralbearbeitungen, die einen solchen Zyklus vervollständigen, gab es Werke, die zu den bekanntesten Orgelkompositionen gehören, wie die Triosonate C-Dur. Fantasie und Fuge c-Moll wiederum, mit dem das Programm schloß, haben wir noch in der Interpretation durch Olivier Latry im Kulturpalast (2019) in bester Erinnerung.

Auch Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) hatten wir gerade erst gehört – am Mittwoch im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ [mit Felipe López, unser Bericht: https://neuemusikalischeblaetter.com/2025/07/06/durch-die-jahrhunderte-gesprungen/]. Sebastian Freitag bereitete mit den Elementen einer Toccata einen frohesten Auftakt. Selbst die Fuge, zunächst als normgerechtes Regelwerk erkenntlich, konnte sich diesem Ansinnen nicht entziehen.
Die Triosonate BWV 529 steigerte dies noch um sämtliche italienische Grade. Der Begriff »Sonate« schien eine Untertreibung bei einem solch prachtvollen Stück! Es gibt weit geringeres, das als (Geistliches) Concert bezeichnet wurde. Wie ein Lied oder Arioso entfaltete sich das Largo, während das abschließende Allegro bereits das Italienische Konzert (BWV 971) vorauszudenken schien.
Dagegen wirkten Präludium und Fuge c-Moll (BWV 549) ähnlich wie später das Werkpaar e-Moll (BWV 533), beides Jugendwerke, in ihrer Strenge beinahe dumpf. Erstaunlich ist, wie wagemutig einerseits der junge Bach manchmal war, wie er aber später eine Meisterschaft erreichte, die solches noch überflügelte. Während die junge Erhabenheit in c-Moll schon ein wenig beklemmend blieb, erwies sich e-Moll als norddeutscher und freier, mit einem lichten, überraschend bald folgenden Ende.
Dazwischen standen drei Choralbearbeitungen (»Erbarm dich mein, oh Herre Gott« / BWV 721, »Wo soll ich fliehen hin« / BWV 694 und »In dich hab ich gehoffet, Herr« / BWV 712), die – teilweise mit Tremulant – vom Aufbruch kündeten und die Ruhe des Chorals (BWV 712) verströmten.
»Vater unser im Himmelreich« erklang in gleich zwei Fassungen: neben dem bekannten BWV 737 bot Sebastian Freitag dem Publikum noch die zurückgenommene, verhaltenere Version des BWV 762.
Auf diese Verinnerlichung folgte zum Abschluß noch einmal eine Eröffnung, zumindest im harmonischen Sinn. Fantasie und Fuge c-Moll (BWV 562) vereinten die Stimmen zunächst in einer Schmelze, aus der Klangfülle erwuchs. Der erhabene Bach kehrte noch einmal mit der Fuge wieder, doch auch hier erfolgte ein Wandel zu einem mitreißenden Strahlen.
6. Juli 2025, Wolfram Quellmalz
Den nächsten Teil des Bach-Zyklus‘ gibt es bereits am kommenden Freitag (11. Juli, 19:30 Uhr, Hofkirche Dresden).