Sächsische Staatskapelle, Frank Peter Zimmermann und Daniele Gatti verabschieden sich mit Brahms und Schumann in die Sommerpause
Die zweite Residenz (nach 2018 / 19) von Frank Peter Zimmermann als Capell-Virtuos der Sächsischen Staatskapelle Dresden war mit nur zwei Sinfoniekonzerten ein wenig knapp – von der Gastspielreise hatten zumindest die Dresdner Besucher nicht viel. Mit zweimal drei Konzerten wohnte ihr auf der anderen Seite ein Attribut der Außerordentlichkeit inne. Nach dem Violinkonzert von Robert Schumann am Spielzeitbeginn legte das Trio Gatti-Zimmermann-Kapelle nun mit Johannes Brahms nach. Dessen Opus 77 gehört zu den erhabensten und schönsten Violinkonzerten überhaupt und man fragt sich, weshalb es so verhältnismäßig selten zu hören ist.

Dabei entfaltete es auch gestern im dritten Konzert noch einmal Wucht und Würde schon zu Anfang. Jene unnachahmliche Kraft von Brahms, die sonor durchdringend und strahlend sein kann, und jene erhabene Majestät der Linienführung, als träfen sich sein sanguinisches Temperament und die Gipfel der Alpen. Die Holzbläser, die später das Adagio wie eine Harmoniemusik beginnen sollten, umschmeichelten schon im Allegro non troppo die Streicher, um einen leichten, erregenden Paukenwirbel bereichert.
Frank Peter Zimmermann ließ seine Violine fliegen – sanft, ganz sanft gab er dem zunächst Ton Kontur, worauf die Streicher mit der satten Geschlossenheit des Akkords antworteten, später im Pizzicato auf den Punkt gebracht. Freilich ist Brahms‘ romantische Linienführung frei, auch bei Frank Peter Zimmermann, der die Erregung vom Orchester übernahm und in fast expressionistische Gefilde wachsen ließ. Immer wieder sollte dieses satte, sanfte besonders klingen, wenn zum Beispiel die tiefen Streicher dem dunklen Klang der Solovioline antworteten.

Seine Erregung wußte Brahms zu zügeln, fand am Ende jedes Satzes eine Beruhigung – Daniele Gatti sorgte dafür, daß sie konzentriert und konturiert blieb, nicht nur auf einen Schlußakkord zulief, sondern Bindung, Empfindung in sich trug. Das sollte später bei Schumann noch stärker tragen, zunächst aber bündelte der Chefdirigent das ungarische Temperament, das Brahms dem Allegro giocoso, ma non troppo vivace eingepflanzt und wohl durch den Geiger Eduard Reményi kennengelernt hatte.
Frank Peter Zimmermanns Temperament ließ ihn im Anschluß noch einmal auf seiner derzeitigen Lieblingszugabe balancieren, Heinrich Wilhelm Ernsts »Grande Caprice«, nach dem »Erlkönig« von Franz Schubert.

Hatten Daniele Gatti und das Orchester den Saisonbeginn in der Semperoper noch mit Robert Schumanns zweiter Sinfonie markiert, stand jetzt dessen dritte, die beliebte »Rheinische« auf dem Programm. Doch zeigte sich gerade hier ein bereits enorm (noch weiter) gewachsenes Vertrauen zwischen Chefdirigent und Kapelle. Wo vor acht, neun Monaten noch ein Hauch Gelassenheit fehlte, die Kraft des Loslassens, war diese nun da und durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen ersetzt.

Überhaupt schien es in dieser Kombination, als habe Schumanns »Lebhaft« die verführerische Wucht von Johannes Brahms übernommen. Die weit nach oben gerichteten Holzbläser (Oboen) konnten noch höher, schöner und schneidiger fliegen. Noch mehr prunkten über ihnen jedoch die Blechbläser – zunächst flocht sich die Solotrompete (Markus Czieharz) zwischen die Kollegen »vom Holz«, im Scherzo funkelten sie bereits gemeinsam um die Wette, um nach dem Intermezzo des dritten Satzes im vierten (Feierlich) in einem Chor zu verschmelzen.
Reiz erfuhr dies alles aber, weil es nicht zu glatt war, nicht nur auf den Glanz allein setzte, sondern die Streicher mit den Pauken rauh grummeln ließ (Scherzo) und weil die Schlußsätze den getragenen, fast tragischen Impuls attacca in einen sinfonischen Aufwind verwandelten. Gegensätze ziehen sich nicht nur an, sie brauchen einander profitieren, wenn aus Reibung und Klarheit ein komplexes Klangbild entsteht.
Der Saisonabschluß war für KV Matthias Meißner ein Neubeginn: nach 46 Dienstjahren wurde der Stellvertretende Konzertmeister Zweite Violinen in den Ruhestand verabschiedet.
9. Juli 2025, Wolfram Quellmalz