Holger Gehring und Sebastian Pachel beim Internationalen Bad Schandauer Musiksommer
Die Sommerreihen in den Kirchen feierten in der vergangenen Woche ihre jeweils vierten Konzerte – nach drei Wochen Ferien sind wir in der Mitte angekommen. Auch eine knappe Stunde vor den Toren Dresdens geht es dabei international zu, wobei das regionale und das internationale der Gäste, die Kantorin Daniela Vogel in die St.-Johanniskirche Bad Schandau eingeladen hat, manchmal benachbart sind – das Abschlußkonzert am 19. September wird wieder in Zusammenarbeit mit dem Festival Junger Künstler Prag »Mladá Praha« gestaltet.
Andere Gäste kommen aus Berlin, Weimar, Chemnitz oder Dresden. Am Freitag war Kreuzorganist Holger Gehring wieder mit dem Bielefelder Panflötisten Sebastian Pachel eingeladen, mit dem er das neue Programm »Barocco italiano – Faszination Panflöte und Orgel« vorstellte. Offenbar waren sie in guter Erinnerung geblieben, denn in der Johanniskirche blieb kaum ein Platz frei.
Das Italienische mußte dabei gar nicht original sein, sondern durfte auch als Vorlage oder Inspiration dienen, wie gleich der Fall von Tomaso Albinoni zeigte, dessen berühmtestes Stück gar nicht von ihm ist. Dabei hat er ganz wunderbare Concerti geschrieben, die sich hinter Vivaldi nicht verstecken müssen. Holger Gehring und Sebastian Pachel führten dies mit dem Concerto D-Dur Opus 7 Nr. 6 vor, das virtuose Höhe in den Ecksätzen bot sowie gesangliche Tiefe im Adagio – wie bei der Schwester Blockflöte gibt es bei der Panflöte Stimmlagen wie Sopran und Alt. (Natürlich durfte der Sopran herzlicher jubeln.)
Das berühmte Adagio von Albinoni bzw. die Sichtweise darauf hat sich in den vergangenen Jahren erstaunlich gewandelt. Bald schon erwies es sich nicht als Original, der »Finder« Remo Giazotto gab schließlich an, es sei ein von ihm vervollständigtes Fragment Albinonis. Nur zeigte er das bewußte Fragment niemals vor – heute geht man davon aus, daß der Musikwissenschaftler das Adagio selbst geschrieben hat, Albinoni also die Inspiration war. Gerade bei diesem Werk wie in manch anderen langsamen, kantableren Sätzen zeigte sich, daß die Panflöte weniger äolisch klingt als ihre Flötenschwestern, dafür aber der menschlichen Stimme unglaublich nahekommen kann.
Sebastian Pachel hat in seinem Spiel eine Versiertheit entwickelt, mit der er nicht nur virtuose Klippen meistert, sondern dem Instrument zu Anerkennung in der klassischen Musik generell verhilft. Das Concerto d-Moll von Alessandro Marcello ist ursprünglich für Oboe geschrieben, nur vergaß man das am Freitag bald, so selbstverständlich und eigenständig wirkte das Stück auf der Panflöte.
Dabei führe man sich aber vor Augen (und Ohren): Will ein »normaler« Flötist Virtuosität auf seinem Instrument darstellen, vielleicht ein Oboen- oder Violinkonzert übertragen, ist Fingerfertigkeit beim Öffnen und Verschließen der Löcher bzw. Klappen ein wesentlicher Schlüssel. Die Panflöte jedoch hat weder das eine noch das andere – hier muß der Spieler für jeden Ton neu ansetzen (und anblasen), was eine vollkommen andere Ausgangslage ist.
Mit Johann Sebastian Bach (Adagio nach Vivaldi aus BWV 972 und der Aria aus der Kantate »Geist und Seele wird verwirret« BWV 35) hatten Sebastian Pachel und Holger Gehring auch Stücke aus ihrer Aufnahme dabei, das meiste war aber neu zusammengestellt. Vielfalt schlug sich im Abendprogramm ebenso nieder, wie im Vergleich zur CD von 2023.

Die manchmal doch einfachere (oder unauffälligere Rolle) des Begleiters glich der Kreuzorganist mit einem reizvollen Concerti in F von Johann Gottfried Walther aus – der Thüringer Organist hatte, ähnlich wie der gleichaltrige Bach, sein Cousin, italienische Concerti für Violine oder Oboe, die er in der Musikbibliothek seines Landesherren Johann Ernst gefunden hatte, auf die Orgel übertragen. Während Bach Vivaldi eindeutig den Vorzug gab, finden sich bei Walther weitere Namen italienischer Komponisten. In Walthers Concerto kam noch einmal eine Vorlage Tomaso Albinonis zum Klingen, die von lauterer Fröhlichkeit kündete und nach einem Andante-Intermezzo einen festlichen Abschluß fand.
Der wurde noch übertroffen von Auszügen aus Wolfgang Amadé Mozarts Exsultate jubilate (KV 165), bei dem das »Hallelujah« der Sopranistin im Schlußsatz zwar nicht im Wort, aber im Jubel hörbar war – was die Festlichkeit noch um Endorphine bereicherte.
Wer hätte da noch an volkstümliche oder folkloristische Attribute der Panflöte denken wollen? Um jeden Verdacht wegzufegen, fügten Sebastian Pachel und Holger Gehring als Zugabe eine wilde (virtuose) Lerche an: Grigoraș Ionică Dinicus »Ciocarlia«.
19. Juli 2025, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Freitag ist das A-cappella-Ensemble Octavians aus Jena mit seinem Programm »Von guten Freunden und alten Liedern« zu Gast und präsentiert Musik von José de Anchieta, Johann Sebastian Bach, Franz Schubert, Friedrich Silcher bis zu den Beatles.