Abendmusik in Pirna funkelte in vielen Facetten
Wenn man ein Konzertprogramm mit Barockmusik zusammenstellt, gibt es eine große Bandbreite an Möglichkeiten, an Komponisten und Werken. Natürlich kann man sich mit »Zugpferden« wie Händel und Vivaldi begnügen, aber wer den Blick (oder das Ohr) nur ein wenig hebt, wird fündig in Hülle und Fülle. Viel Barock ist noch im Stadtbild von Pirna zu entdecken, worauf Kantor Florian Mauersberger in seiner Begrüßung am Donnerstagabend verwies. So wie sich Architektur und Farben bis heute zeigen, hat sich die Vielfalt barocker Ausprägung und die Darstellung der Affekte von ruhig und besinnlich bis zu aufgeweckt in der Musik niedergeschlagen.
Davon gab es in der Marienkirche gleich sieben Kostproben, ohne daß sich ein Komponistenname wiederholte hätte. Und auch die Besetzung bot mehr Abwechslung, als mancher bei vier Musikernamen erwartet hätte. Denn Petra Zámbó und Elisabeth Beckert spielten sowohl auf Blockflöten (Sopran und Alt) wie auf der Barockoboe, und Eva-Maria Horn wechselte mit dem Barockfagott aus dem Basso continuo in die Solistenrolle. Sebastian Knebel am Cembalo stand dem natürlich nicht nach.

Georg Philipp Telemanns Triosonate in F (TWV 42:F9) schien den leichten Sommerwind eingefangen zu haben, so behend tauschten sich Flöte (Petra Zámbó) und Oboe (Elisabeth Beckert) aus. Im zweiten Satz fanden sie zu einem ariosen Duett, doch als Affettuoso bezeichnet zeigte er außerdem Feinheiten, die eine reine Kantabilität noch erhöhten. Auch die Ecksätze funkelten und prunkten – solche musikalischen Perlen wollen nicht nur gefunden, sie wollen ebenso poliert, sprich eingeübt sein!
Mit der Sonate Opus 3 Nr. 4 von Luigi Merci folgte ein deutlicher Wechsel, denn nun durfte das Fagott seine Vorzüge zeigen. Ohne dabei allzu effektlastig zu werden, mußte Eva-Maria Horn in höheren Gefilden der Melodie Virtuosität entfalten, aber ebenso einen kontrapunktischen Baß hinzufügen – die Tonskala des Fagotts ist durchaus beträchtlich! Diese Soloqualität sollte später noch einmal wiederkehren.
Zunächst räumte aber Francesco Maria Veracini der Flöte (Petra Zámbó) Raum für einen Auftritt ein (Sonate in F), wo sie zwischen frohem »Gezwitscher« und gesanglichem Largo wechselte. Mit Arcangelo Corelli wurde dieser Eindruck sogar noch einmal gesteigert, denn in seiner Triosonate standen sich zwei Blockflöten gegenüber. Dabei bewiesen Petra Zámbó und Elisabeth Beckert, daß Barock durchaus nicht nur mit herausgestellter Zier gleichzusetzen ist – neben der gravitätischen Einleitung war noch der Vivace-Satz von Gediegenheit geprägt.
In vielem führte die Musik somit bereits auf einen Ursprung, der im Barock liegt: der Beginn des Galanten Zeitalters, der in diesem Konzert immer wieder zu spüren war. So in der Sonata a-Moll für Oboe und Basso continuo Opus 2 von Giovanni Battista Ferrandini, und das, obwohl die Oboe mit weiter Mensur (Öffnung des Schalltrichters) sogar noch an ihre Herkunft aus der Renaissance erinnerte. Einer Trompete optisch nicht unähnlich, kann sie durchaus einen durchdringenden Ton entwickeln, doch Elisabeth Beckert blieb bei der gesanglichen Linie und der feinen Darstellung, was es erlaubte, kleine Verzierungen (Triller) einzuflechten.
Natürlich sollte auch das Cembalo solistisch mitwirken und nicht nur in der Begleitung verharren. Eine Toccata undecima von Girolamo Frescobaldi war nicht nur das älteste Stück im Programm, sie verband im 8-Fuß- und 4-Fußregister einen klangvollen, pulsierenden Herzschlag – das Verklingen und die nachfolgende Ruhe gehörten unbedingt dazu!
Antonio Vivaldi, einer der berühmtesten Komponisten seiner Zeit, durfte den Abschluß bilden. Der Venezianer hat zahlreiche Fagottkonzerte geschrieben, die solistischen Qualitäten des Instruments also gekannt. Da wundert es nicht, wenn das Fagott in seiner Triosonate für zwei Oboen und Basso continuo in g noch einmal eine tragende Rolle spielen durfte, auch wenn es den gediegenen Largo-Satz Oboen und Cembalo überließ. An den fröhlichen Ecksätzen wob es eifrig mit – so kann der Sommer klingen!
8. August 2025, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Donnerstag spielt Florian Mauersberger Präludien und Fugen von Vierne, Franck, Bach und Reger in der Pirnaer Abendmusik.