Böhmische Verhältnisse

Moritzburg Festival schaute in Richtung Prag

Im Reigen der Musikmetropolen, die in diesem Jahr im Mittelpunkt der Abendkonzerte stehen, wandte sich das Moritzburg Festival am Dienstag Prag zu. Wobei man nicht vergessen darf, daß Musikmetropolen nicht nur von ihrem Umland profitierten, weil daher viele Musiker kamen, sondern auch die Musik selbst. Im Falle von Böhmen und dessen Musikanten war dies sicher besonders prägend, wie der Abend erneut vergegenwärtigte.

Zunächst gab es aber mit Wolfgang Amadé Mozarts Sonate für Klavier zu vier Händen F-Dur (KV 497) durchaus einen »Prager Anklang«. Zwar entstand das Werk in Wien, doch feierte Mozart in der Zeit mit seinen Opern »Le nozze di Figaro« und »Don Giovanni« in Prag große Erfolge, wo »Don Giovanni« sogar das Licht der Welt erblickte – also mag man auch gern die Wiener Sonate den Pragern zugestehen.

Ernst Ferdinand Oehme »Die Ruine von Kamaik in Böhmen bei heranziehendem Gewitter« (Ölfarbe auf Holt, 30,7 x 45,8 cm, ca. 1852), Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Bildquelle: Wikimedia commons

Maxim Lando und Anton Mejias teilten sich nicht nur eine Tastatur, sondern ebenso die Pedale zur Gestaltung des dramaturgischen Verlaufs, und das gelang ihnen mit erlesenem Geschmack! Mit Grazie statt Aplomb führte schon das Adagio ins Allegro di molto und erinnerte mit einem gleichermaßen luziden wie perkussiven Klang an die Hammerklaviere aus Mozarts Zeit. Der feine Bösendorfer spielte mit singender Leichtigkeit schon hier eine seiner Qualitäten aus. Im Andante, ohnehin eine der Königsdisziplinen Mozarts, verstärkte sich dieser Effekt noch.

Die beiden Pianisten kamen allerdings ohne jeglichen aufgesetzten Effekt aus und fanden in eine harmonische Partnerschaft, die sich in den fröhlich fugierten Läufen des letzten Satzes entladen durfte. Da schien die Form der Sonate jene der Phantasie zu berühren!

Auf jeden Fall zu beflügeln. Eine ganz andere Beflügelung (und Tradition) sind die Gänse am Moritzburger Schloß, die Punkt 20:00 Uhr einen ersten Vorstoß wagten – allerdings zaghaft. Nun ging es von Prag ins Land hinein nach Böhmen, zu Bedřich Smetanas Streichquartett e-Moll »Aus meinem Leben«. Kai Vogler und Mira Wang (Violinen), Moritzburg-Rückkehrerin Hayoung Choi (Violoncello) und Moritzburg-Neuzugang Nicholas Swensen (Viola) waren nun allerdings spürbar verstärkt aus dem Lautsprecher zu hören – eigentlich ist die Balance in Moritzburg natürlicher, mehr auf Konzertsaal eingestellt.

Ein Quartett »lebt« letztlich nicht nur von der Ausgewogenheit, sondern der Individualität der Spieler, den Akzenten, die sie zu setzen vermögen. Nicholas Swensen ließ hier mit seinem noblen Ton aufhorchen und verlieh dem Werk Bindung, während Hayoung Choi den beiden hohen Stimmen ein sonor neckendes »Kontra« gab – vor allem der zweite Satz mit seiner Polka und ihren absichtlichen »Aussetzern« konnte als Scherzo-Surrogat vollends überzeugen. Nicht zuletzt, weil die flexiblen, aber gut abgestimmten Tempi niemanden aus der Fassung brachten, sondern für Vitalität sorgten.

Ähnlich vital wirkte auch das Vivace – ein fröhlicher Schluß, wenn man bedenkt, daß der Komponist im Rückblick des Werkes manche Lebenskrise verarbeitet hatte! Der etwas vordergründige Ton der Verstärkung hinderte im Largo und im ausgleitenden Piano des Schlußakkordes allerdings die Zartheit einer echten Auflösung.

Das Abendkonzert blieb in Böhmen. Antonín Dvořáks Klaviertrios sind fast ein Standard im Moritzburg-Festival-Repertoire und werden regelmäßig aufgeführt. Noch vor dem beliebten Dumky-Trio hat der Komponist ein Klaviertrio f-Moll (Opus 65) geschrieben, das nun am Dienstag auf dem Programm stand. Zu Anton Mejias gesellten sich dafür mit Kevin Zhu (Violine) einer der Publikumslieblinge und Festival-Mitbegründer Jan Vogler.

Der finnisch-kubanische Pianist Anton Mejias hat seine Vielseitigkeit in Dresden bereits bei den Musikfestspielen unter Beweis gestellt (Rezital 2024, Kammerkonzert mit Chad Hoops in diesem Jahr) und fand mit den beiden Festival-Insidern zu einem ausgesprochen harmonischen Miteinander, was den wiegenden Reigen böhmischer Musikantität noch betonte und im Allegretto grazioso seine größte tänzerische Qualität entwickelte. Im Poco Adagio spielte Anton Mejias mit einem superb dunklen, samtigen Klang eine weitere Qualität des Bösendorfer-Flügels aus. Wie erst das Cello und dann die Violine ins Trio einstimmten, gehörte zu den beglückendsten Passagen des Werkes! Im Finale vereinigte sich der Nachdruck des Tones mit der Ruhe der Kraft, die in ihm liegt.

13. August 2025, Wolfram Quellmalz

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