Moritzburg Festival feierte italienische Exklusivitäten
Bei »italienischer Musik« fallen einem venezianische Barockmeister wie Vivaldi oder Galuppi ein, die Mailänder Scala oder berühmte Musikzentren wie Bologna oder Florenz. Rom scheint im Vergleich zurückzuliegen, obwohl hier einige Musiker und Komponisten geboren wurden oder gelebt haben. Neben dem Kastraten Siface oder Ottorino Respighi zählt sogar Ennio Morricone dazu.
Von dem gab es am vergangenen Dienstagabend auf der Moritzburger Schloßterrasse (glücklicherweise) nichts zu hören, dafür enthielt das Programm »Rom« des Moritzburg Festivals (MBF) Musik von gleich sechs italienischen Komponisten, darunter solche von ausgewiesenen Opernspezialisten – es war das vielleicht vielfältigste Programm des diesjährigen MBF.
Manches kam den Besuchern an diesem Ort aber wohlbekannt vor, wie Gioachino Rossinis Sonata Nr. 3. In Rom erlebte Rossini mit der Uraufführung seines »Barbiere di Siviglia« – heute eine der beliebtesten Opern überhaupt – ein wahres Fiasko. Sein als Sonate getarntes Jugendwerk eines Streichquartetts ohne Viola, aber mit Kontrabaß, steht in Moritzburg dem letztlichen Erfolg des »Barbiere« nicht nach. Andrea Cicalese und Fiona Khuong-Huu (Violinen) erweckten mit Guy Johnston (Violoncello) das launige Stück zum Leben, wobei Janne Saksalas Kontrabaß wesentlich zum tänzerischen Walzer-Rumba-Stil beitrug. Eine luftige Schwere bereitete das Quartett auf diese Weise, denn trotz Betonung gerader der dunklen, tiefen Saiten schien es manchmal zu schweben.

Nach diesem in den eigenen Reihen zum Klassiker erhobenen Stück griff das MBF tief in die »Kiste« der Ungewöhnlichkeiten und förderte drei Serenaten unterschiedlichsten Charakters zutage: Bei Hugo Wolfs »Italienische Serenade« für (normales) Streichquartett (Hina Khuong-Huu, Andrea Cicalese, Lars Anders Tomter und – auf dessen Wunsch extra eingewechselt – Andreas Brantelid), erstaunte die große Ernsthaftigkeit, die sich auf knappem Raum entfaltet. Zwischen Allegro- und Rondeau-Passagen wechselte farbige Zeichnung und energiegeladene Darstellung – als Quartettsatz durchaus mehr als nur leichte Unterhaltung!
Hochinteressant sind oft die Werke von Ferruccio Busoni. Andreas Brantelid und Juho Pohjonen offenbarten in der Serenata für Violoncello und Klavier B-Dur ein Werk für zwei Singstimmen, die in lyrischen und bedächtig erzählenden Abschnitten spätromantische Atmosphäre schufen – ein superber Vortrag!

In Sichtweite der Pause gab es noch Luigi Cherubinis Pater Noster für Violine und Streichquintett. Nun mit den Schwestern Fiona und Hina Khuong-Huu (Fiona mit Solo-Violine), Mira Wang, Ulrich Eichenauer, Oliver Herbert. Das ursprünglich geistliche Werk entfaltete sinfonische und konzertante Qualitäten und becircte mit einem reizvollen Wechselspiel zwischen der Solistin und einem Ensemble, das teilweise wie ein Chor wirkte. Manchmal fiel es schwer, den originalen Text (Vaterunser) gedanklich zu unterlegen – es hätte auch ein profanerer sein können. Mit kurzen Pizzicati der umschließenden Streicher und einem knappen Finale führten die Musiker Pater noster pointiert zu Ende.
Zwar nur noch zwei Werke, aber kaum weniger Musik stand nach der Pause auf dem Programm. Zunächst fünf Lieder Giacomo Puccinis, die sich ursprünglich Tine Thing Helseth gewünscht hatte.
Nach deren krankheitsbedingter Absage übernahm wieder Helmut Fuchs die Interpretation auf der Trompete, am Klavier begleitete ihn Anton Mejias. Mit seinem weichen Ansatz ersetzte Helmut Fuchs die an dieser Stelle eigentlich vorgesehene Sopranistin stimmlich wunderbar – in den nun zu Liedern ohne Worte gewordenen Stücken mochte man gern den Inhalt der Texte erraten. Aber es gab ja auch schon Sängerinnen in Moritzburg – vielleicht wird in einem der nächsten Jahrgänge eine Sängerin einen noch größeren Reiz entfalten, wenn sie von »Sonne und Liebe«, »Urania« und »anderen Liebesgeschichten« erzählt?

Schließlich durfte mit Giuseppe Verdi das einzig reguläre Streichquartett an diesem Abend erklingen lassen. Das Unikat in e-Moll hatten sich Karen Gomyo und Mira Wang (Violinen), Karolina Errera (Viola) und Jan Vogler (Violoncello im Rücktausch mit Andreas Brantelid) auf die Pulte gelegt und fächerten einen transparenten Viererklang auf, aus dem einzelne Stimmen (Viola) flexibel in den Vordergrund und wieder zurück traten. Trotz mancher dramatischer Aufregung (Tremoli) und luftiger Auflockerung (Pizzicati) mochte man nicht zwangsläufig eine »Opernmasche« im Werk finden, sondern eine eigenständige kammermusikalische Bereicherung. Nur weniger Applaus zwischen den Sätzen wäre schöner gewesen!
19. August 2025, Wolfram Quellmalz