Mit Brillanz und Schwung

Gustav Mahler Jugendorchester im Dresdner Kulturpalast

Das Gustav Mahler Jugendorchester (GMJO) kommt seit Jahren zum Spielzeitbeginn nach Dresden. Früher in die Semperoper zur Sächsischen Staatskapelle, mittlerweile in den Kulturpalast, wo es den Spielzeitbeginn der Dresdner Philharmonie einleitet. Doch Europas beste Musikstudenten – so das Verständnis – scheinen das Publikum nicht mehr so anzuziehen wie früher. War das Haus damals ausverkauft (oder nahezu), blieb die Nachfrage diesmal trotz moderater Kartenpreise merkwürdig zurückhaltend – nur Parkett und mittlerer erster Rang waren dichtbesetzt. Fehlten Namen, die früher dazugehörten, wie Blomstedt, Eschenbach, Gerhaher? Oder lag es am Programm? Oder ist die Sommertournee mit ihrem dicken, aber unübersichtlichen Programmheft zu wenig dem jeweiligen Publikum zugewandt? Mancher hatte am Montagabend im Kulturpalast das Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold erwartet, das ebenso zum Sommerprogramm gehört, aber an anderen Spielorten zu hören ist.

Renaud Capuçon, Photo: © Caroline Doutre

Die Ingredienzen stimmten an sich: Dirigent Manfred Honeck, in Dresden bereits bei der Staatskapelle und mit seinem Pittsburgh Symphony Orchestra zu Gast, gehört zu den Erfahrenen seines Fachs und dürfte der Jugend manches mitzugeben haben. Violinist Renaud Capuçon ist mittlerweile immer öfter ohne seine schöne Guarneri-Violine »Panette« von 1737, sondern selbst am Pult zu erleben – 2021 hat er das Amt des Chefdirigenten und Künstlerischen Leiters des Orchestre de Chambre de Lausanne übernommen. Nach Dresden brachte er »Panette« allerdings mit, denn hier sollte er Mozarts Violinkonzert G-Dur spielen. Die Orchestermitglieder des GMJO kommen aus Wien, Salzburg und ganz Europa, immerhin vier von der HfMT Leipzig, zwei aus Rostock, einer aus Weimar – aus Dresden war niemand dabei …

Wolfgang Amadé Mozart nahm die ganze erste Konzerthälfte ein, denn vor dem Violinkonzert KV 216 stand die Ouvertüre zu »Don Giovanni« (KV 527) auf dem Programm. Schon hier zeigte sich aber, daß opernhafte Dramaturgie vielleicht nicht Honecks Steckenpferd ist. Sorgsam ausgeführte Details spürte man kaum, Farbe und Verve, Kontrast aber schon, wenn auch zu gering. Wie rot und schwarz – die Farben des Skorpion – glomm die Ouvertüre, richtig zum Glühen brachte sie Manfred Honeck aber nicht. Es schien, als ginge er sorgfältig und rücksichtsvoll mit dem um, was ihm die Musiker anboten – hätte er nicht mehr ein Inspirator sein können?

So blieb auch das Konzert für Violine und Orchester G-Dur zwar nicht unbedingt hinter den Erwartungen zurück, ließ aber die erhoffte Erfrischung missen. Allerdings zeigte Renaud Capuçon mit einer weich konturierten Brillanz, wie romantisch Mozart bereits war, und das nicht nur im Adagio. Die Oboe folgte ihm hierin, wie überhaupt die Holzbläser einige Vorzüge ausspielten. Manfred Honeck bewies die Fähigkeit, ein Orchester auf den Solisten einzustimmen und übertrug die Brillanz auf das GMJO.

Manche Kontur arbeitete Manfred Honeck deutlich heraus, fand zu pointierter Wiedergabe, wie mit dem satten, exakten Pizzicato der Kontrabässe und Violoncelli im zweiten Satz – diese Qualität sollte mit der Besetzung der Gruppe bei Tschaikowski noch wachsen. Am Beginn des Rondeau rutschte die Artikulation der Streicher jedoch wieder ein wenig ab, wurde undeutlich. Die Solokadenzen schienen unspektakulär, spürten aber doch sehr kantabel Mozarts Sinnen nach. Renaud Capuçon hatte sich für die Fassung von Robert Levine entschieden.

Mit seiner Zugabe überraschte der Solist: Pau Casals‘ »El canto de los pájaros« (Gesang der Vögel) in einer Orchesterbearbeitung. Wollte er sich mit dem Stück, an sich für Cello, an seinem Bruder (Gautier ist Cellist) »rächen«? Wohl kaum. Dafür durfte er das Orchester nun doch leiten und gab am Ende die Solostimme der Solovioloncellistin »zurück«.

Peter Tschaikowskis fünfte Sinfonie e-Moll, nun in großer Besetzung und mit Stab dirigiert, lag Manfred Honeck wohl mehr als Mozart. Der große Bogen, das weite Schweifen, die große Wandlung – hier formte und gestaltete er deutlicher bis hin zu einigen eigenwilligen dynamischen Kontrasten. Überhaupt wurde das Stück scheinbar von seinem Schwung getragen, den nur die teils übermäßig langen Pausen brachen. Neben dem satten Pizzicato der Bässe durften auch die Blechbläser ein beeindruckendes Crescendo aufbauen – freilich wußte Honeck ebenso ein verblüffendes Orchesterpiano zu sublimieren. Immer wieder traten vor allem Bassett- bzw. A-Klarinette und Fagott wohlklingend und formbestimmend hervor. Geschlossen, bündig und kraftvoll gelangen vor allem der Walzer und das terrassenartig wachsende Finale mit seinem Triumphmarsch. Damit war die Feststimmung letztlich doch erreicht – was will man mehr? Ob es nun programmatisch paßte oder nicht (es paßte nicht), die »Morgenstimmung« aus »Peer Gynt« von Edvard Grieg mußte als Zugabe noch heraus.

26. August 2025, Wolfram Quellmalz

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