Start der Jubiläumsspielzeit

Dresdner Kammerchor begann 40-Jahresfeier

Daß es schon vierzig Jahre her ist, seit Hans-Christoph Rademann den Dresdner Kammerchor gegründet hat, kann man kaum glauben. In den vierzig Jahren war der Chor stets in Dresden präsent, wirkte immer »frisch«. Am vergangenen Wochenende setzte er seine Reihe ZentralVokal mit zwei Konzerten in Dresden und in Wilthen fort.

Beständigkeit und Aufbau gehören im Repertoire schon immer zu den wesentlichen Merkmalen des Dresdner Kammerchores. Zum Konzert am Sonnabend in der Dreikönigskirche gab es den Werken nach manche Rückbesinnung auf die vergangenen vierzig Jahre, wie das große Heinrich-Schütz-Projekt, aber mit einer Uraufführung von Reiko Füting ebenso einen Neuanfang. Bei aller Beständigkeit stellte ich jedoch fest, daß die Zahl der neuen Sänger im Chor seit meinem letzten Besuch vor etwa drei Jahren recht hoch war.

ZentralVokal I in der Dresdner Dreikönigskirche, Photo: Dresdner Kammerchor

»Loben« ist das Jahresmotto in dieser Jubiläumsspielzeit. Das Thema durchzog somit auch den ersten Abend. Der Beginn mit zwei Werken von Heinrich Schütz (»Herr, auf dich traue ich« / SWV 377 und »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes« / SWV 386) aus der Geistlichen Chormusik sowie »Ihr Heiligen, lobsingt dem Herrn« aus Johann Hermann Scheins Israelsbrünnlein zeigten den Dresdner Kammerchor in seiner gewohnten Stärke – klar, verständlich in den Stimmen, stark im Ausdruck. Dagegen schien Johann Sebastian Bachs Motette »Lobet den Herrn alle Heiden« etwas verwaschen oder romantisch. Insgesamt war – vielleicht doch mit vielen Neuzugängen oder jungen Sängern – die Homogenität noch nicht auf dem gewohnten Niveau, die Soprane manchmal etwas scharf.

Zunächst lobte, vor der Uraufführung, Prof. Wilfried Krätzschmar in einer Impulsrede den Dresdner Kammerchor und sein beständiges Wirken, bezeichnete ihn als »Glücksfall und Selbstverständlichkeit«. Wobei: »die erreichte Höhe vierzig Jahre nicht nur zu halten, sondern in stetiger Frische zu immer neuem Gelingen erblühen zu lassen« sei zwar ein Glücksfall, aber keineswegs selbstverständlich (Krätzschmar). Das Glück sah der Laudator eher auf Seiten derer, die sich – als Publikum – beschenken ließen, aber auch darin, daß sich der Chor sein Selbstverständnis bewahrt hat. Der Dresdner Kammerchor sei über das »Musenland Sachsen« hinaus gewachsen und habe seine internationale Spitzenqualität nachgewiesen. Doch kann / darf solches Anliegen auf den »Konzertfall« begrenzt sein? Wilfried Krätzschmar verwies völlig zu Recht auf die Diskussionen um den Umgang mit sozialen Medien bei Jugendlichen, während ausgerechnet die musische Bildung und das Singen vernachlässigt werden – wäre dieses nicht eine bessere Alternative der Sozialisierung?

Mit Spannung erwartet wurde die Uraufführung von Reiko Füting, dem ersten von drei Komponisten, die dem Dresdner Kammerchor eng verbunden sind. Heinrich Schütz‘ »Mit Dank wir sollen loben« aus dem Becker-Psalter war Fütings »Mit Dank: denken; dankend, denkbares« nicht nur vorangestellt, es diente auch als Inspiration für die Komposition. In der Uraufführung zeigte sich der Chor als modernes Vokalensemble, das viele Flüster- und Atemlaute zu artikulieren hatte, Akkorde bildete, aus denen einzelne Worte, vor allem der »Dank« herausstachen. Lautmalerisch und mit Sprechpassagen war der eben bei Schütz erlebte Text, seine Botschaft nun nicht in einer vielstimmigen Klanglandschaft, sondern mit scharfen Konturen zu erleben.

Frank Martins »Messe pour double chœr a cappella« war für mich der eigentliche Höhepunkt des Abends. Die Modernität in Martins Komposition trat einerseits kraftvoll und mitreißend hervor, darüber hinaus bezauberte sie auch mit Zartheit und klanglicher Delikatesse. Ein bestenfalls chronologischer »Rückschritt«, vervollkommnete das Werk doch das Spektrum des Repertoires von der Renaissance bis heute, welches der Dresdner Kammerchor beständig ausbaut. Die hinreißende Darbietung von Frank Martins »Messe« entließ mich beglückt in den Abend.

Inge Knothe, 10. September 2025

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