Boris Giltburg, Dima Slobodeniouk und Jean Sibelius feierten glänzende Wiederkehr bei der Dresdner Philharmonie
Am Freitag vergangener Woche begann Boris Giltburg mit seinem ersten, wenn auch etwas kurzen (weil mit nur einmaliger Konzertauflage versehenen) Auftritt, die Residenz bei der Dresdner Philharmonie. Der beliebte, stets gutgelaunte Pianist nutzte die Gelegenheit aber nicht nur, ein neues Licht auf Beethoven zu werfen, sondern darüber hinaus in Sachen Eigenwerbung Neugier zu entfachen.
Ähnliches ließe sich von Dima Slobodeniouk sagen, der – wenngleich ohne Residenz oder besonderes Dirigentenprädikat – jährlich ans Pult des Orchesters wiederkehrt und schon die Junge Deutsche Philharmonie durch den Dresdner Kulturpalast geführt hat. Gemeinsam mit Boris Giltburg gelang ihm eine kammermusikalisch feine, ausgewogene, jugendlich-frische Interpretation von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 1, wozu ihm die lange Orchestereinleitung des Meisters reichlich Möglichkeiten offerierte. Die mannigfaltigen Bezüge der Solostimmen erinnerten an Beethovens komplexe Kammermusiken in Septett- und Oktettformation. Boris Giltburg ließ das Klavier mit eleganter Brillanz hinzutreten, stattete noch den Marsch-Gestus mit einer Liebesstimme aus, ohne daß dabei ein »Zwiespältiger« Eindruck entstand. Darin lag überhaupt eine Stärke dieser Interpretation und Partnerschaft, daß sie vielschichtig und unverwischt blieb, bis in die phantasievoll klingenden Kadenzen.

Im zweiten Satz, den das Klavier beinahe als Alleindarsteller beginnt, verstärkte sich der kammermusikalische Eindruck noch mit den dialogischen Szenen. Erst im Verlauf ließ Dima Slobodeniouk das Orchester als eigenständigen Partner sinfonisch anwachsen. Das Rondeau fügte der durchhörbaren Schlankheit jenen Schwung zu, der dem ursprünglichen Tanzsatz gebührt.
Die Brücke des Aufbruchs zwischen Mozart und dem später revolutionärem Beethoven war Boris Giltburg außerordentlich gut gelungen, weshalb er gleich zwei Zugaben bieten durfte: Franz Liszts »La leggierezza« (»Die Leichtigkeit«, Nr. 2 aus den Études de Concert) sowie – noch ein wenig verzauberter – Sergej Rachmaninows Nr. 12 aus den 13 Prélude Opus 32. Wer mehr hören möchte, möge sich den 10. Februar vormerken, dann ist der Artist in Residence mit Rachmaninow, Prokofjew und Ravel im Kulturpalast zu erleben.
Von den Sinfonien Jean Sibelius‘ ist die zweite in D-Dur vielleicht die beliebteste. Auf jeden Fall wurde sie in Dresden bereits einige Male gespielt, so daß sich ein Wiedererkennungseffekt einstellt. Dabei setzte Dima Slobodeniouk den Eindruck nicht ambivalenter, sondern sich ergänzender Gegensätze fort. Denn Sibelius‘ Werk ist voller Wechselwirkungen, die volkstümliche Motive und klassische Verarbeitung, traditionelle Formen und nordische Klangsprache in Verbindung bringen. Das tat gerade jenen Sätzen gut, die sich so scheinbar eindeutig Allegretto oder Vivacissimo nennen, indes aber viel raffinierter sind.
Mehrteilig begann schon der erste, in dem die Dresdner Philharmonie zunächst die Abschnitte von Motiven und Verläufen präsentierte, quasi als würde »Material« für die spätere Verarbeitung bereitgelegt. Die Eigenständigkeit dieser Abschnitte band Dima Slobodeniouk letztlich zu einem Ganzen, was den Eindruck von Kleinteiligkeit vermied, im Gegenteil ergab sich zunehmend eine Symbiose der musikalischen Themen. Die »oben«, also über die Streicher gesetzten hohen Bläser schienen so bereits im ersten Satz den Beginn einer Apotheose zu formulieren.
Doch der Anfang war erst gemacht. Der zweite Satz wuchs aus den gezupften Kontrabässen, deren Motiv von den Violoncelli übernommen aufs ganze Orchester überging. Zunächst vom Fagott mystisch schimmernd bereichert, wurde das Quasi-Andante mit den hohen Streichern lichter. Die Gegensätze führten zu Spannungen, die am Satzende nur provisorisch gelöst schienen. Im Vivacissimo wurden sie in den tremolierenden Streichern wieder spürbar, die Bläser lösten es letztlich auf. Das bot vielsinnige und viel interpretierbare Ansätze bis hin zu nordischen Farben und nordischem Licht oder zu Meereswogen (Streicher) und Wasserspritzern (Bläser) mit dramatischen Momenten (Pauken), die an Mendelssohn erinnerten. Doch im direkt angeschlossenen Finale zeigte Dima Slobodeniouk ebenso, daß man nicht immer deuten muß – Jean Sibelius‘ Sinfonie ist letztlich absolute Musik und eine Bereicherung epischer Qualität!
20. September 2025, Wolfram Quellmalz