So schön gesungen!

Annette Dasch und das Fauré Quartett in der Dresdner Frauenkirche

Der letzte Besuch von Annette Dasch in Dresden lag schon ein wenig zurück – eine von ihr präsentierte Operngala 2022 war das – kann das sein? Kein Mozart auf der Bühne? Keine Elsa, keine Elisabeth, kein Liederabend in Dresden?

Am Freitag holte Annette Dasch dies mit einem Konzert in der Frauenkirche mit dem Fauré Quartett als Begleiter nach, und es zeigte sich bald: beide klingen nach wie vor schön. Denn die Gesanglinien der Streicher und des Klaviers waren ebenso klar und kantabel wie die Liedverse von Annette Dasch. Wobei die Variationen beim Quartett vielleicht noch größer waren, zumindest in den Gustav-Mahler-Liedern, in denen Erika Geldsetzer (Violine), Sascha Frömbling (Viola), Konstantin Heidrich (Violoncello) und Dirk Mommertz (Klavier) ein ganzes Orchester ersetzten und – vor allem Sascha Frömbling – die schönsten Trompetenimitationen ablieferten.

Eigentlich hätte es noch schöner werden können und das auch verdient gehabt – die Unterkirche der Frauenkirche wäre sicher geeigneter gewesen für das Format, obwohl der Hall des Hauptraumes weniger der Verständlichkeit abträglich war, allerdings der Intimität. Und das nicht nur bei den Liedtexten, sondern ebenso bei der innigen Spannung und Expressivität, die Johannes Brahms auf »kleinem Raum« zu erzeugen vermag. Womit gleich die zweite Potentiallücke angezeigt sei: Warum Brahms‘ c-Moll-Quartett (Opus 60) »zerpflücken«? Ein Mozart-Divertimento, vielleicht noch ein Haydn-Quartett hätte die Aufteilung der Sätze zwischen, vor und nach Liedern wohl vertragen, aber die Separierung von Brahms tat diesem nicht gut, zumal sich die Lebensräume von ihm und Mahler zwar überschnitten haben mögen, sie sonst aber eher wesensfremd waren. Vor allem Scherzo und Andante aus Johannes Brahms‘ Klavierquartett wirkten zwischen Mahlers Lieder gepreßt eher wie in eine Zwangsehe, vom leidigen Zwischenapplaus einmal abgesehen.

Rogelio de Egusquiza »Tristán e Isolda (La muerte)« (Ölfarbe auf Leinwand, 160 c 240 cm, 1910), Museo de Bellas Artes de Bilbao, Bildquelle: Wikimedia commons

Dabei gab es im einzelnen nämlich kaum etwas, eigentlich nichts zu mäkeln. Im Gegenteil: das Fauré Quartett feiert in diesem Jahr sein dreißigjähriges Bestehen – in unveränderter Besetzung! Seine Vertrautheit spürte man in förmlich jeder Note. Ein feiner Strich, wie ein Lufthauch, genügte, um ein suggestives Bild, eine intensive Farbe zu erzeugen. Geschmeidig begannen sie mit dem Allegro non troppo, nur das der so großartige Klang im Kirchenhauptraum floh.

Statt hier anzuschließen, standen sehr unterschiedliche Lieder aus Gustav Mahlers Vertonungen zu »Des Knaben Wunderhorn« auf dem Programm. Wobei in »Ich ging mit Lust« gerade durch den Hall ein wenig ein Wald-Eindruck entstand. »Wo die schönen Trompeten blasen« hob Annette Dasch, ohne zu forcieren, zu ganzer balladesker Größe, nebst dem sie orchestral umschließenden Quartett – vielleicht der Höhepunkt dieses Abends!

Brahms‘ kurzer Einschub der Mittelsätze brauchte danach etwas Umgewöhnung, freilich war noch in den kurzen Bögen eine geradezu konsonantengetreue Artikulation zu erkennen. Das Andante wartete immerhin mit der schönen Gesangsstimme des Violoncellos auf. Mahlers »Erinnerung« und »Rheinlegendchen« mit seinem verlöschenden Schluß führten in die Pause.

Mit Richard Wagners »Wesendonck Liedern« gab es danach den geschlossenen Komplex fünfer irisierender, glühender, eigenständiger Gebilde, zwischen schattigen Nachtwesen und Tristan gelegen, die glücklicherweise unangetastet blieben. So unterschiedlich sie sein mögen, so sehr ihnen direkte Zusammenhänge zu fehlen scheinen, stehen diese Lieder wie kaum ein Werk für ihre beiden Urheber, die Dichterin und den Komponisten und deren leidenschaftliche Verbindung. Sie so »unbelastet«, mit Feingefühl vorzutragen zu hören, war delikat, nahm ein, ohne zu erdrücken, ließ Platz für Gedanken und Interpretation.

Geradezu süffig erklang »Der Engel«, in seiner Munterkeit fast banal begann »Stehe still!«, das sich aber bald beruhigte und einen schönen Nachklang entwickelte. »Träume« und »Im Treibhaus«, mit erdverbundener Schwere, während »Schmerzen« – trotz allem – dazwischen einen Hoffnungsschimmer freisetzten.

Nach Brahms‘ Schlußsatz sowie Mahlers heiteren »Wenn mein Schatz Hochzeit macht« und »Scheiden und Meiden« waren zwei Zugaben ein wenig sinnbildlich: Mahlers »Wer hat dies Liedchen erdacht« und ein sehr munteres »In stiller Nacht« von Johannes Brahms standen sich eher fremd gegenüber.

18. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz

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