Ambitionierte Programme

Kammerorchester Heidenau verband im Herbstkonzert Norwegen und Italien

In einer Musikstadt oder -region wie Dresden sind selbst Laienorchester verhältnismäßig zahlreich. Das aus einem Werksorchester hervorgegangene Kammerorchester Heidenau gehört, heute als eingetragener Verein, mit mittlerweile an die 80 Jahren Bestehen zu den ältesten seiner Art in Sachsen. Dabei sollte man sich hüten, über die »Laien« die Nase zu rümpfen, denn die Orchester erfüllen gleich viele wertvolle Funktionen: neben dem lokalen Veranstaltungsangebot bieten sie Auftrittsmöglichkeiten für meist junge Solisten und öffnen häufig ein Entdeckerrepertoire. Was man nicht vergessen darf: im Kern geht es ihnen ums Musizieren. Die Mitglieder zehren von den Projekten und manchen einmaligen Gelegenheiten, Werke zu spielen, für die ihnen sonst die Möglichkeit fehlen würde (wer hat schon ein eigenes Orchester »in der Tasche«?). Dazu kommt die soziale Komponente des gemeinsamen Musizierens an sich, des Verbindens und auch des Ausgleichs zum stressigen (Berufs)alltag. Oder wie es ein Orchestermitglied sagte: »das [Kammerorchester] erspart mir den Nervenarzt«.

Am Sonntag gab das Kammerorchester Heidenau unter der Leitung seines Dirigenten Matthias Herbig in der Christuskirche Heidenau sein Herbstkonzert, in dem italienische und nordische Klänge überwogen. Schon Georg Philipp Telemanns Vivace aus der Sonata A-Dur (TWV 40:200) verwies gen Süden und es beeindruckte, wie geschlossen und beherzt das Orchester in diesem vitalen Stück bereits klang. Neben dem Temperament fehlte der Zusammenhalt der Stimmen nicht.

Eugène Galien-Laloue »Herbstliche Flußlandschaft mit Dorf« (Ölfarbe auf Leinwand, 65 x 49,5 cm, spätestens 1941), Kunsthaus Lempertz, Bildquelle: Wikimedia commons

Bei Edvard Grieg lag gewissermaßen der Orchesterschwerpunkt des Konzerts, denn er sollte das Solokonzert rahmen. Mit den Zwei nordischen Weisen Opus 63 durften die Streicher in verschiedenen Gruppen hervortreten, mal in der gesanglichen Linie, mal in der rhythmischen Ausprägung. Bei den Violoncelli lagen vielleicht kleine Vorteile – das Soloinstrument war schon einmal angekündigt. Auch Konzertmeisterin Constance Herbig übernahm neben der eigentlichen Führung kleine Soli. Der »Volkston«, den Grieg eingefangen hatte, machte sich ebenso im Gesang der Streicher bemerkbar wie in tänzerischen Passagen.

Für Antonio Vivaldis Concerto in g-Moll (RV 416) war Olivia Jeremias, die aus Heidenau stammt, zurückgekommen. Beruflich ist sie heute im Orchester der Hamburgischen Staatsoper (Philharmonisches Staatsorchester) als Solo-Violoncellistin tätig. Nur hat sie dort selten Gelegenheit, Vivaldi zu spielen.

Das g-Moll-Konzert steht nicht nur in einer Moll-Tonart, es beginnt auch außergewöhnlich dunkel, selbst in den sehr kantabel präsentierten Melodiebögen – eine ausgesprochen charakterstarke Darstellung! Zudem blieb die Idee, daß eine schöne Melodie nicht genügt, sondern ein rhythmischer Impuls als »Herzschlag« notwendig ist, erhalten. Das Orchester folgte Olivia Jeremias mit Verve, wobei Juliane Meißner den Nachteil des elektronischen Cembalos in einen Vorteil umkehrte: das digitale Instrument läßt sich per Knopfdruck auf Orgel schalten, was für das Largo, allein vom Continuo begleitet, viel besser paßte. Im Schlußsatz durften die Streicher dann wieder mitwirbeln. Für die Solistin bedeutete Vivaldis Allegro ein Feuerwerk mit dem Bogen.

Auf die venezianische Dunkelheit folgte Leipziger Frische mit der Sarabande aus Bachs Cellosuite G-Dur als Zugabe.

Die Suite »Aus Holbergs Zeit« von Edvard Grieg stand am Schluß des Programms und forderte dem Streicherorchester sicher alles ab, denn hier waren erneut Farbe und Puls gefragt, dazu hat Grieg verschiedene Charaktere eingefangen – und das alles braucht auch noch Homogenität!

Doch gerade darin überraschte das Kammerorchester Heidenau, wie es gleich am Beginn oder in der Air einen kraftvollen Fluß herstellte. Immer wieder übernahm Constance Herbig Führungsarbeit, und so erinnerte ihr son Pizzicati begleitetes Solo im Rigaudon an die norwegischen Fideln, die der Komponist darstellen wollte.

3. November 2025, Wolfram Quellmalz

Das Kammerorchester Heidenau sucht für seine Projekte Streichernachwuchs. Im nächsten Projekt kommenden Sommer steht nichts geringeres als Tschaikowskys Streicherserenade auf dem Programm. Geprobt wird immer dienstags – Interessenten können über die Internetpräsenz des Orchesters Kontakt aufnehmen.

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