Alle Jahre neu

Weihnachtsliederabend des Dresdner Kreuzchores

Für den Dresdner Kreuzchor ist die Advents- und Weihnachtszeit jene mit den meisten Diensten, allein schon wegen der liturgischen Anlässe von Vespern und Metten. Dazu kommen die Auftritte außerhalb Dresdens (in diesem Jahr dreimal das Weihnachtsoratorium in Berlin), vergangenen Sonnabend war der Chor auch wieder Gast beim Adventskonzert in der Frauenkirche. Die wichtigsten Termine sind die vier Aufführungen mit Kantaten des Weihnachtsoratoriums vor und nach Weihnachten in der Kreuzkirche sowie der traditionelle Weihnachtsliederabend an gleicher Stelle. Anders als beim Weihnachtsoratorium variiert hier das Programm immer ein wenig, auch wenn der Kern ein beständiger bleibt.

So fanden sich in den Aufführungen am Freitag und Sonnabend viele Lieder, die in den letzten Jahren erklungen waren, aber von anderen ergänzt wurden. Wobei es unter den Klassikern Variationsmöglichkeiten gibt – Andreas Hammerschmidts »Machet die Tore weit« durfte im Hammerschmidt-Gedenkjahr natürlich nicht fehlen.

Am Sonnabend zeigte sich, daß ein einfacher Liederabend ohne Showeffekte einem komponierten Ablauf folgen kann, quasi als würden nach und nach die Türchen an einem Adventskalender geöffnet oder Lichter angezündet. Das begann mit dem Einzug der Kruzianer zu Jacques Nicolas Lemmens‘ Prélude à 5 voix für Orgel. Kreuzorganist Holger Gehring konnte in seinem Anteil die größte Variationsbreite verzeichnen und hatte nicht nur ein individuelles Programm zusammengestellt, sondern erfrischende Neuerungen und Seltenheiten mitgebracht. Mit Lemmens‘ pastoralem Prélude zog sofort andächtige Ruhe in die Kreuzkirche ein, später eröffnete »Noël étranger« von Louis Claude d’Aquin den Sängern nicht nur eine Ruhepause, sondern führte die Sing- und Bläserstimmen der Jehmlich-Orgel vor, welche für eine Stimmung mit Renaissanceklängen sorgten und im wechselvollen Spiel zwischen zurückgenommenen Soli und fanfarenähnlichen Trompeten große Kontraste hervorhoben. Kaum weniger erfrischend war Max Birns Weihnachtsphantasie über »Kommet, ihr Hirten«.

»Maria durch ein Dornwald ging« als Motiv einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1930 des Kunstverlages Brück & Sohn, Meißen (Die Karte hat die eindeutige Nummer 25476 und ist in höherer Auflösung beim Verlag erhältlich. Sie wurde im Rahmen einer Kooperation für Wikimedia commons zur Verfügung gestellt.)

Den Hauptakteur Kreuzchor begleitete Holger Gehring mit seinem Spiel an ausgewählten Stellen ebenso wie das Capell Brass Quintet. Kreuzkantor Martin Lehmann hatte die Tradition, die eigene Chorgeschichte und neue Klänge im Programm dicht verwoben, so daß sie sich nicht nur gegenüberstanden, sondern miteinander klangen. »Macht hoch die Tür« war ebenso eine adventlich-zeitgemäße Eröffnung wie »Maria durch ein Dornwald ging« im Programm nicht fehlen durfte, natürlich im Satz von Günter Raphael, der Chorzeilen und Soli (am Sonnabend: Balduin Frisch / Alt und Friedrich Zweynert / Sopran) in den Strophen und »Kyrie eleison« so wirkungsvoll zusammengefügt hat – eine von vielen Gelegenheiten, bei denen mit den glasklaren Singstimmen der Solisten und den geteilten Stimmen des Chores eine atemberaubend schöne Atmosphäre entstand!

Natürlich steht der Kreuzchor trotz seiner über 800 Jahre des Bestehens nicht für »alte Zeiten« – in der Romantik erfuhr er eine wesentliche Prägung, was sich in Titeln wie Heinrich von Herzogenbergs mildes Licht verströmendem »Freue dich, du Tochter Zion« oder Edvard Griegs schlichtem »Ave maris stella« zeigte. In der Romantik ist der Kreuzchor aber auch nicht stehengeblieben, wie moderne Klassiker von Morten Lauridsen (»O nata lux«) oder Eric Whitacre (»Lux aurumque«) bewiesen. Und wie gesagt: Tradition und aktives Singen im Jetzt gingen Hand in Hand, so in Johann Sebastian Bachs Choral »Ich steh an deiner Krippen hier« (Solist: Valentin Anwand), der im Satz des ehemaligen Kruzianers Anton Matthes erklang – wer Karten für das Weihnachtsoratorium hat, dürfte feststellen, wie groß der Unterschied der Bearbeitung im Vergleich zum originalen Choral ist!

Das Capell Brass Quintet hatte nicht nur wie die Orgel Anteile an der Chorbegleitung, oft wechselnd mit a-cappella-Abschnitten zwischen den Strophen, sondern fügte eigene, leuchtkräftige Bearbeitungen von Weihnachtsweisen ein. Christopher Dedricks »Sweet songs of Christmas« und »Have yourself a merry little Christmas« von Hugh Martin und Ralph Blane (Satz: Luther Henderson) verwiesen auf die englischsprachige Literatur, während César Franck mit »Panis angelicus« (Satz: David Marlatt) einen weiteren der lupenrein schimmernden Farbtupfer beisteuerte.

Überschneidungen und Erfrischungen der Tradition zeigten sich ebenso darin, daß die Chorsätze oft selbst zu Klassikern geworden sind. Neben Selle und Raphael gehört Karl Riedel längst dazu, von dem »Freu dich, Erd und Sternenzelt«, »Kommet, ihr Hirten« (Solist: Cornelius Mühlhans) und »Laßt alle Gott uns loben« zu hören waren. Auch der Name Carl Thiel ist aus Weihnachtsprogrammen kaum »wegzudenken« – aus seiner Feder stammten die Sätze zu »In dulci jubilo« oder »Adeste fideles«.

Ein wesentliches Attribut des Weihnachtsliederabends des Kreuzchores ist sicherlich die Authentizität, die mit der Kreuzkirche verbunden ist. Es gehört eben mehr dazu, als die Lieder nur korrekt und intonatorisch rein zu präsentieren. Wesentlich blieb die stimmungsvolle Darbietung. Und weil Zuhören ohnehin keine passive Tätigkeit ist, durfte das Publikum wie gewohnt bei »Macht hoch die Tür« sowie beim abschließenden »Oh du fröhliche« mitsingen. Drei Zugaben von Chor und Brass Quintet mußten dennoch sein.

7. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz

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