Keine »halbe Sache«

Neue CD des Vocal Concert Dresden

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Dresden gehörte neben Berlin einst zu den deutschen Zentren der Freimaurerbewegung. Da es auch ein musikalisches war, entstanden hier viele Werke für den Gebrauch in der Loge. Peter Kopp ist mit seinem Vocal Consert Dresden dieser Freimaurermusik nachgegangen und hat sie bereits im Konzert vorgestellt. Am Freitag erscheint sie nun auf CD.

Freimaurer waren aufgrund ihres beruflichen Ursprungs ausschließlich Männer (im Mittelalter gab es noch keine Steinmetzinnen). Die Logen blieben daher, von Ausnahmen der gemischten Adoptionslogen (ab dem 18. Jahrhundert) abgesehen, Männersache. (Erst im zwanzigsten Jahrhundert entstanden Frauenlogen.) Ergo: die »Freimaurermusik« erklingt nur mit den Männerstimmen des Vocal Consert Dresden. Doch wie eine »halbe Sache« wirkt das Projekt deshalb nicht.

Die auf der CD zusammengestellten Werke sind ursprünglich nicht als Teil eines Konzertes, sondern für eine Zeremonie gedacht und beziehen sich auf Eröffnung oder Schluß einer Logensitzung sowie auf herausgehobene Themen (Gott, Wohltätigkeit, Frauen). Viele der Stücke sind einstimmig – Gemeinsamkeit ist schließlich ein wesentliches Merkmal des Bundes – doch gibt es zahlreiche Soli oder Wechselgesänge, wobei das Vocal Concert die Solisten natürlich aus den eigenen Reihen stellen kann. Unterstützt wird es dabei vom Dresdner Instrumental-Concert, das meist nur mit wenigen Instrumenten als Begleitung auftritt und noch als ganzes Ensemble sehr zurückhaltend gesetzt ist, was die Aufmerksamkeit auf das Wort, den Inhalt lenkt.

Viele der Komponisten – Johann Gottlieb Naumann, Carl Philipp Emanuel Bach oder Gottfried August Homilius – sind uns über ein dezidiertes »Freimaurerliedgut« hinaus bekannt, aber natürlich fördern solche Kompilationen stets unbekannte oder heute vergessene Tonsetzer wie Johann Christian Müller oder Friedrich Franz Hurka wieder zutage. Sie alle laden ein, sich in die Texte und Gedanken zu vertiefen, wozu das umfangreiche Beiheft zusätzlich anregt. Und so wird der aufmerksame Hörer schließlich kaum noch überrascht sein, wenn plötzlich Schillers Ode »An die Freude« erklingt – ist sie doch, ausgelöst durch eine Bitte Christian Gottfried Körners, 1785 (lange vor Beethovens neunter Sinfonie) in Dresden entstanden. Die Musik der vier Strophen von Körner, Naumann, Hurka und Müller ist uns dennoch kaum vertraut und vollkommen ungewohnt.

Von Dresden aus ging die Freimaurermusik in die ganze Welt. Einerseits, weil die Logen durchaus aufeinander achteten und keine mysteriösen »Geheimbünde« waren, wie uns das Hollywood-Kino manchmal glauben machen möchte (auch damit räumt der Begleittext von Dr. Kornél Magves auf), nicht zuletzt sorgten aber die Komponisten selbst für eine Verbreitung. Mozart und Bach etwa waren in ganz Europa bekannt (und gehört), auch Johann Gottlieb Naumann war ein gefragter Kapellmeister, den es bis nach Stockholm zog.

Nicht einmal der Aufnahmeort ist zufällig gewählt: das Auditorium des Kreuzgymnasiums Dresden. Im gleichen Haus war von 1899 bis 1933 das Freimaurer-Institut zu Hause. Nun eröffnet es einen höchst interessanten Einblick in die Musikhistorie Dresdens.

August 2019, Wolfram Quellmalz

»Freimaurermusik«, Männerstimmen des Vocal Concert Dresden, Dresdner Instrumental-Concert, Berlin Classics

Das Vocal Concert Dresden können Sie am 14. September in der Kreuzvesper erleben (17:00 Uhr, Kreuzkirche) sowie am 9. Oktober im Rahmen des Heinrich Schütz Musikfestes in einem Wandelkonzert (18:30 und 20:15 Uhr, Albertinum), weitere Informationen und Termine unter: http://www.vocalconcert.de

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