»Gedenken« heißt mehr als nur erinnern, Teil 2

Verlorene Musik zum Wiederentdecken in der Dresdner Synagoge

Der 9. November ist ins deutsche Geschichtsbuch historisch gleich mehrfach schwerwiegend eingetragen – im Positiven wie im Negativen. Neben den Feiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls gab es am vergangenen Wochenende auch Gedenkveranstaltungen, die an die Reichspogromnächte vor 81 Jahren erinnerte. Aber auch daran, daß am 9. November 2001 die Neue Synagoge Dresden geweiht wurde.

Dem Erinnern und Wiederentdecken galt ein Abend mit Musik UND dem Wort, den die Semperoper in der Neuen Synagoge veranstaltete. Agata Schindler konnte hier ein Projekt fortsetzen, das schon vor zwei Jahren in einen Abend auf Semper Zwei Niederschlag gefunden hatte und erinnerte an jüdische Künstler, Musiker und Komponisten – Viktor Ullmann, dem bereits ein Konzert am Vorabend gegolten hatte, war nur einer von ihnen. Im Gegensatz zu Ullmann sind viele Komponisten heute noch vergessen. Manche, weil sie im Krieg umgebracht wurden oder früh starben, wie der Musikalische Direktor des Dresdner Schauspielhauses Arthur Chitz (1882 bis 1944) oder der Komponist, Pianist und Liszt-Schüler Josef Weiss (1864 bis 1945); andere, trotzdem sie nach dem Krieg noch lebten und wirkten. In vielen Fällen erwies sich die Tilgung ihrer Leben und Namen (etwa aus Musiklexika) durch die Nazis als nachhaltig.

Um so schöner, daß es nun die Chance zu einer Umkehr gibt. Johannes Wulff-Woesten (Opernstudienleiter, Klavier) sowie Grace Durham (Sopran) und Nikolaus Nitzsche (Bariton) vom Jungen Ensemble entdeckten dem Publikum die teils vergessenen Werke wieder neu. Manche, wie Richard Engländers (1859 bis 1966) »Letzter Abend«, waren erst vor zwei Jahren in Dresden uraufgeführt worden oder erklangen erstmalig in Dresden. Karol Ebert (1911 bis 1997), von dem der titelgebende Schlager des Programms »Maličká slzička« (Eine winzige Träne) stammt, gehörte zu den wenigen, die überlebten und weiter als Musiker wirken konnten.

Es war sicherlich nicht der letzte Abend dieses Projektes – zu entdecken gibt es wohl noch viel.

11. November 2019, Wolfram Quellmalz

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