Gedenken und Passion

Konzert der Sächsischen Staatskapelle zum 13. Februar

Oft steht am Tag der Zerstörung Dresdens ein Requiem oder eine Messe auf dem Programm oder ein Stabat Mater wie 2019 (Dvořák), zuletzt hatte Daniel Harding Henry Purcells »Music of the Funeral of Queen Mary« und Gustav Mahlers zehnte Sinfonie dirigiert. In diesem Jahr sollte Johann Sebastian Bachs Messe in h-Moll mit Philippe Herreweghe und seinem Collegium Vocale Gent gespielt werden – Herreweghes Aufführung der Johannespassion vor drei Jahren gilt für viele Musikfreunde als legendär. Doch ein (großer) Chor ist momentan ebenso undenkbar wie Publikum in der Semperoper. Damit, mit dem authentischen Moment der Aufführung, fehlte dem Gedenken (im Vergleich mit normalen Sinfoniekonzerten) allerdings die besondere emotionale Nähe, von der Bratschist Andreas Schreiber im Radiogespräch erzählte.

Immerhin also Radio – nach dem Radiokonzert mit Uraufführung im November und dem vom ZDF übertragenen Adventskonzert gab es die Kapelle nun einmal wieder zu erleben, und im Gegensatz zu den anderen beiden Anlässen sogar im angestammten Domizil des Opernhauses. Vom ursprünglichen Programm waren neben dem Dirigenten außerdem zwei Solisten geblieben: Dorothee Mields und Krešimir Stražanac. Philippe Herreweghe hatte zwei Bachkantaten ausgewählt, denen er jeweils eine Sinfonia (ebenfalls aus einer Kantate) voransetzte. Die Werke thematisierten den Tod, Trauer, Todesfurcht, aber auch das Verständnis des Todes als letzte Stufe und Abschluß des Lebens und verwiesen damit ein wenig auf die bevorstehende Passionszeit (auch wenn die Kantaten nicht dezidiert dafür geschrieben worden waren).

Philippe Herreweghe nannte es »mein Leben und mein Glück«, mit der Staatskapelle bzw. mit »einer kleinen Bachgruppe« zu musizieren. Eigentlich, verriet er vorab, spiele er Bach nur mit einem Barockorchester und da meist mit dem eigenem. Zwei Ausnahmen gibt es, und dazu zählt neben dem Concertgebouworkest Amsterdam eben die Sächsische Staatskapelle.

Teil der Bachgruppe war Oboist Rafael Sousa, der als Gast solistisch mitwirkte (außerdem Konzertmeister Matthias Wollong und Solobratschist Sebastian Herberg). Die Kantilene der Sinfonia aus »Ich hatte viel Bekümmernis« (BWV 21) entwickelte mit ihm einen fast magischen Sog, was nicht nur an einer eleganten Phrasierung des Oboisten lag, sondern am gemessenen, angemessenen Tempo, das Herreweghe vorgab – Gelassenheit kann ebenso entspannen wie Gedanken konzentrieren. Der Beginn der Kantate »Ich habe genug« (BWV 82) mit der gleichlautenden Arie schien wie eine logische Fortsetzung. Nun war Rafael Sousa Duettpartner für Krešimir Stražanacs Baßbariton, der mit hervorragender Verständlichkeit und weicher, fast romantischer Tonfärbung bestach. Auch in der dramatischen Gestaltung vermied er bis zum den Endpunkt umfassenden Schluß übertriebene Zuspitzungen, was dem Charakter der Innenschau und des Rückblicks sehr entsprach. Auch hob Stražanac die Rezitative zwischen den Arien über den Rang bloßer Überleitungen.

Mit ähnlicher (musikalischer) Köstlichkeit gelang die Kombination aus der Sinfonia zu »Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen« (BWV 12) und »Mein Herze schwimmt in Blut« (BWV 199). Sopranistin Dorothee Mields begeisterte nicht nur im Ab- und vor allem engelhaften Aufschwingen des Stimmverlaufes mit Emphase. So gelang mit ihr im Gedenkkonzert eine beglückende Wende – schließlich endet die Kantate mit den glücklich ausgerufenen Worten »Wie freudig ist mein Herz«, womit der Versöhnungsgedanke für einen positiven Lichtpunkt sorgte.

14. Februar 2021, Wolfram Quellmalz

Das Konzert kann in der Mediethek von Deutschlandfunk Kultur nachgehört werden: https://www.deutschlandfunkkultur.de/zum-gedenken-an-den-13-februar-1945-mit-bach-die-erinnerung.1091.de.html?dram:article_id=492236

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