Spannungsgeladener Frühling

Marek Janowski fordert die Dresdner Philharmonie bei Strauss und Schumann

Die Spielzeitresidenz von Pianist Francesco Piemontesi war eine erfrischende. Nach der Visitenkarte eines Rezitals zu Saisonbeginn und einem Mozart-Konzert im März kam der Tessiner am Wochenende noch einmal zur Dresdner Philharmonie zurück. Auf dem Programm stand Richard Strauss.

Chefdirigent Marek Janowski hatte für eines der letzten Konzerte seiner Amtszeit im Kulturpalast zwei Tondichtungen ausgewählt und diese um Robert Schumanns »Frühlingssinfonie« ergänzt. Die Strauss’schen Stücke – weder für die Philharmonie noch Janowski Teil des gängigen Standardrepertoires – sind innerhalb weniger Jahre, fast nacheinander während der Meininger Zeit des Komponisten entstanden. Nicht nur im Sujet unterscheiden sie sich jedoch erheblich – etwa so wie zwei Bilder eines Malers, der sich in der gleichen Schaffensperiode Themen ganz individuell zuwendet.

Marek Janowski und Francesco Piemontesi im Konzert mit der Dresdner Philharmonie, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

»Macbeth«, eine eher dunkel-dramatische Tondichtung für großes Orchester, nahm die Philharmonie mit kurzem Anlauf: über eine Rampe stürzte sich der Held ins Geschehen. Die Blechbläser hob Marek Janowski mehrfach prickelnd hervor, beließ sonst aber oft ein sinfonisches Gleichgewicht zwischen »Holz« und »Blech«.

Dagegen ließ Strauss‘ Burleske für Klavier und Orchester d-Moll mehr Raum für Schichtungen, Soli und Gegensätze. Und – wiewohl es doch kein dezidiertes Klavierkonzert ist – für einen fabelhaften Solisten. Einen, der sowohl zur symbiotischen Partnerschaft fähig ist als auch einen eigenen Interpretationsansatz verdeutlichen kann. Ohne »frech« oder eigensinnig zu scheinen, wurden hier und da Freiheiten spürbar – belebend! So näherte sich Piemontesi in der ersten Kadenz dem Klangraum von Johannes Brahms, während in der zweiten noch Robert Schumann mitzuspielen schien – Poesie frei abgeschmackter Klebrigkeit! Damit nicht genug, führten virtuos verspielte Läufe Richard Strauss in die Nähe von Camille Saint-Saëns …

Klar bringt so ein Pianist als Zugabe mehr mit als »nur« eine Arabeske oder ein Nocturne. Karol Szymanowskis Étude Opus 4 Nr. 3 vervollkommnete am Freitagabend eine Residenz, die nicht abreißen sollte – im Januar kommenden Jahres kehrt Francesco Piemontesi mit Beethoven zur Philharmonie zurück.

Der Frühling geht, das spüren wir gerade, weit über ein Erwachen und die ersten Schneeglöckchen hinaus. Er bereitet auf den Sommer vor, mit kräftigen Farben und selbstverständlicher Vitalität. So etwa konnte man auch Robert Schumanns erste Sinfonie in der Interpretation von Marek Janowski und der Dresdner Philharmonie empfinden. Keck, frisch, eindeutig hob sie an, befand sich bald in einem Tutti-Fest. Anders als ein kraftstrotzender Sommer darf der Frühling noch jugendliche Anmut zeigen, wie im Larghetto, das drängende Scherzo war voll Energie, wahrte aber die frühlingshafte Leichtigkeit.

Vollzogen wurde die Energieentladung denn im abschließenden Allegro animato e grazioso, das mit einem Vibrato anhob, welches Fingerspitzen und Herzen gleichermaßen erregte. Wie sich die jubilierenden Violinen mit ihren Streicherkollegen verbanden, wie Marek Janowski daraus einen Klang formte, war umwerfend! Und sorgte sogleich für Verlustangst, denn auch die Residenz von Marek Janowski geht zu Ende. Zwar kehrt er im nächsten Jahr wieder, doch ebenfalls nur ein Mal – ist das nicht zu wenig?

3. Juni 2023, Wolfram Quellmalz

Das Konzert wurde aufgezeichnet und erscheint zu einem späteren Zeitpunkt als CD. Dienstag hat Deutschlandfunk Kultur einen Radiomitschnitt gesendet (in der Mediathek zu finden).

Hinterlasse einen Kommentar