Aufführungskonzert der Staatskapelle am Morgen
Zwischen den beiden Ausgaben des Gründungstagskonzertes spielte die Sächsische Staatskapelle am Sonntagmorgen die erste Aufführungsmatinée der Saison. In den Kontext der Feier paßte dies sehr gut, schließlich besann sie sich auf eigene, innere Werte: den Solisten Sebastian Fritsch, seit zwei Jahren Konzertmeister Violoncello bei der Staatskapelle, Robert Lis, der das Orchester schon einige Male anführte und seit dieser Spielzeit offiziell die Position eines Ersten Konzertmeisters begleitet, sowie den Dirigenten oder in diesem Fall die Dirigentin – zu den Aufführungskonzerten lädt die Kapelle gern jene ein, mit denen sie eine Zusammenarbeit probieren möchte. Im Fall von Yi-Chen Lin fiel dies offenbar zur beiderseitigen Zufriedenheit aus.
Mit Felix Mendelssohns »Hebriden«-Ouvertüre flutete ein ungemein luftiges, vielschichtiges Werk durch die Semperoper – es gehört zu den spannendsten des Komponisten. Wie die Wellen der See, die sich in verschiedenen Wogen und der Brandung schichten, umspielen sich hohe und tiefe Streicher sowie Bläser. Yi-Chen Lin lotste das Orchester sicher durch die stürmischen Klippen, ließ Bläser gischtend hervorragen. In den Streichern, vor allem den Celli, fanden alle wieder zusammen. Mit hüpfenden Bögen nahm die Dirigentin Anlauf zu einem brausenden Höhepunkt, der nochmals in einer Brandung ausklang. Nur im Forte klang die Kapelle bzw. ihre Hörner etwas dumpf – der Schmuckvorhang hat eben Nachteile. Im Sinfoniekonzert wird oft in einer größeren Ausbaustufe des Konzertzimmers gespielt, als dies der Platz allein bedingen würde, weil es dem Klang zugute kommt – man sollte dies bei den zur Kammermusik zählenden Aufführungen vielleicht doch ab und zu erwägen.

Fingals-Höhle auf Schottland, Farblithographie, Reproduktion (Photoglob AG, Zürich), Bildquelle: Wikimedia commons
Wie anders ging es weiter: das Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur von Dmitri Schostakowitsch stellt den Solisten zunächst wenigen Bläsern (ebenfalls Solisten gegenüber). Erst dann treten die schlichtenden Streicher hinzu, binden das vorn agierenden Violoncello und die hinten spielenden Holzbläser zusammen. Der skulpturhafte Klang des Konzertmeistercellos gefiel, rauh und kantig einerseits, beseelt und im zweiten Satz mit einem tragenden Kantabile – die Wechsel fielen Sebastian Fritsch ebenso leicht wie er die virtuosen Ansprüche meisterte. Trotz des kleinen Bühnenraumes traten die Stimmen im Klang praktisch räumlich hervor. Der zweite Satz, schlicht Moderato benannt, geriet zum kammermusikalischen Austausch mit den Holzbläsern (vor allem Oboe), mit dem Hornruf und der Wiederkehr des Themas zerriß der zarte Nebel, auch die zuvor gedämpfte Erregung kehrte zurück. Im Flageolett (fast wie ein Glockenspiel) und mehr noch in der folgenden Kadenz raste Sebastian Fritsch dem Finale entgegen – atemberaubend!
Und dann – wie eine Abendmusik am Morgen – Antonín Dvořáks Serenade für Streichorchester E-Dur (Opus 22). Was für ein Richtungswechsel – aus Sicht des Spannungsverlaufes nicht ganz nachvollziehbar. Eher schon, wenn man nach dem spektakulären Konzertstück Beruhigung suchte oder noch einmal im Orchesterklang des Jubilars »baden« wollte. Der (Klang) war wie Seide, floh geschmeidig durch die Zeiten (erinnerte im Walzer an das althergebrachte Menuett). Yi-Chen Lin zeigte, daß sie nicht nur das Spektakel beherrscht, sondern sich Zeit nimmt für langsame Sätze wie das Larghetto, das so schwebende Leichtigkeit erfuhr.
24. September 2023, Wolfram Quellmalz
Im zweiten Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle (9. Oktober), erklingt ein Werk von Capell-Compositeur Georg Friedrich Haas (Uraufführung).