Brüche und Brücken

Tschechisch-Deutsche Kulturtage eröffnet

»Brüche« lautet das Motto der Tschechisch-Deutsche Kulturtage (TDKT) in diesem Jahr, in dem die 25. Ausgabe gefeiert werden kann. Einst von der Brücke | Most Stiftung ins Leben gerufen und zu einem großen, vielfältigen Kulturfest aufgebaut, ist seit 2018 die Euroregion Elbe / Labe Veranstalterin eines Festes, dessen Austausch längst nicht mehr nur bilateral ist. »Brüche« bezieht sich einerseits auf die Trennung von Tschechien und der Slowakei vor 30 Jahren, die aber beispielhaft für viele historische Brüche stehen. Sachsens Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch stellte in ihrer Begrüßungsrede fest, daß die Worte »Brüche« und »Brücke« doch fast gleich klingen – ein interessanter Aspekt. (Charmant übrigens, daß die Grußworte, außerdem von Oberbürgermeister Dirk Hilbert und Jan Marian, Stellvertretender Außenminister der Tschechischen Republik, jeweils in der Muttersprache gesprochen, im Programmheft in der Übersetzung abgedruckt waren.)

In der Tat kann man das Bild der Brücke / Brüche leicht assoziieren, gibt es doch neben Brücken, deren Form von schönen Bögen bestimmt werden, noch andere, die ge- oder unterbrochen scheinen: Seebrücken etwa oder Schwebefähren. Oft denkmalgeschützte Kulturgüter, erfüllen sie ihre Funktion durch das Zusammenwirken vieler Zahnräder und Menschen.

Am Donnerstag fanden im Kulturpalast viele Menschen zusammen. Manche das erste Mal, wie die Dresdner Philharmonie und der Philharmonische Chor Prag, die künftig eine Partnerschaft aufbauen wollen. Darauf darf man nicht nur gespannt sein, sondern sich freuen, den der Chorgab mit Leoš Janáčeks Vater unser und Johannes Brahms‘ »Schicksalslied« Opus 54 gleich zwei eindrückliche Beweise seiner Klangfülle und Sprachkraft. Das Vater unser, von Katerina Englichová (Harfe) und Daniela Valtová Kosinová (Orgel) begleitet und von Chorleiter Lukáš Vasilek dirigiert, steigerte sich im Wechsel von Philharmonischem Chor und Tenorsolist Jaroslav Březina von schwebender Hoffnung (»Vater unser«) über expressive Kraft (»Unser tägliches Brot«) bis zum Amen, daß – melismatisch aufgeschlossen – wie eine Brücke wirkte.

Im »Schicksalslied« von Johannes Brahms fanden zum Abschluß des Abends der Philharmonische Chor Prag und Dresdner Philharmonie erstmalig auf dem Podium zusammen. Hier verbanden sich ein sinfonischer Chorklang und die sanften Schwingen der Streicher, bis schließlich die Brüche des Textes (»von Klippe zu Klippe geworfen«) dramaturgisch eindrucksvoll im Staccato auch musikalisch entsprechend dargestellt wurden. Brahms freilich löste diese Gewitter harmonisch auf.

Solo-Oboist Johannes Pfeiffer, Photo: Dresdner Philharmonie, © Markenfotografie

Für solcherlei Ausgestaltung und Umschwünge stand Dirigent Robert Treviño ein Orchester (Konzertmeister: Vlad Stanculeasa) zur Verfügung, das bei Brahms über eine reiche Grundfokussierung verfügt. Doch auch Martinů liegt ihm, wie vor dem »Schicksalslied« das Konzert für Oboe und kleines Orchester zeigte. So klein war es denn gar nicht, sogar noch um ein Klavier ergänzt. Robert Treviño formte einen schlanken, geradezu biegsamen Klang, der Johannes Pfeiffer umschmiegte. Der Solo-Oboist der Philharmonie gab eine »klare Linie« mit sauberer Phrasierung und geschmeidigem Ton vor. So schienen manche Teile wie aus einer Sonate für Oboe und Violoncello (Moderato) oder Oboe und Klavier (Poco allegro). Neben der Kantabilität bot Johannes Pfeiffer ein feines Parlando und eine mustergültige Eloquenz – ungemein passend für das elegante Concertino!

27. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz

Die TDKT bieten bis zum 11. November zahlreiche Konzerte, Ausstellungen, Diskussionspodien, Lesungen und noch mehr in der gesamten Region.

https://www.tdkt.info/

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