Feuergeschöpfe

Daniele Gatti im Konzert der Sächsischen Staatskapelle

Es gibt Werke, die gereichen als Markenzeichen oder Standortbestimmung eines Orchesters bzw. eines Dirigenten. Schumanns Sinfonien zum Beispiel, von der Sächsischen Staatskapelle Dresden vor fünf Jahren zyklisch aufgeführt und aufgenommen, gehören dazu. Wenn Daniele Gatti die »Frühlingssinfonie« im Jahr vor seinem Amtsantritt auf das Programm seines Konzerts am Sonntagmorgen in der Semperoper setzte, dann war er sich des »Fußabdrucks« darin sicher bewußt.

Allein darauf kam es ihm aber wohl nicht an, vielmehr hatte Daniele Gatti eine programmatische Bindung gefunden, die mit Beethovens Ballett-Ouvertüre »Die Geschöpfe des Prometheus« begann und damit ein kreatives Feuer auslöste, das sich bei Strawinsky und Schumann fortsetzte. Den Feuerfunken entfachten vor allem Bläser und Pauken, während die Streicher ihnen luftig zufächelten.

Jenes Feuer loderte in der zweiten Ballettmusik, Igor Strawinskys »Apollon musagète«, erneut auf. nach ruhigem Erwachen und überraschend herben Tönen flackerte es geradezu hell. Igor Strawinsky hat das Stück für eine reine Streicherbesetzung geschrieben, die Verlegung des Melodieschwerpunktes in die Violoncelli oder Violen geriet köstlich! Wieder fächelten die Violinen Luft zu, beflügelten, vor allem zeigte sich deutlich Daniele Gattis Bewußtsein für Pausen und langsame Tempi – was den Effekt von Beschleunigung oder direktem Anschluß (wie später bei Schumann) noch verstärkte.

Daniele Gatti im Konzert mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, Photo: Sächsischen Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

Wenn auch ohne Bläser, blieb »Apollon musagète« nicht ohne Solisten bzw. Solistin. Denn am ersten Pult saß Yuki Manuela Janke, im Programmheft ohne Gastkennzeichnung als 1. Konzertmeisterin vermerkt, während sie unter den Orchestermitgliedern der Staatskapelle (offiziell? noch?) nicht zu finden ist. Vor einigen Jahren hatte sie diese Position bereits, wurde dann aber nicht übernommen – im Konzert führte sie die Streicher (mit Federico Kasik an ihrer Seite) ebenso, wie sie solistisch die Primaballerina spielte.

Dem Orchester gelang eine feine Choreographie, die nicht nur in den Schleiertanz der Apotheose mündete, sondern gerade mit den pointierten Sätzen (Variation d’Apollon) herausstach. Dem gemächlichen Schreiten fehlte sonst ein paar Grade dieser Prägnanz.

Zwar ohne Ballett, aber mit gehörigem Feuer ließ es Daniele Gatti auch in Robert Schumanns Sinfonie Nr. 1 B-Dur lodern. Dabei zeigte die Sächsische Staatskapelle durchaus »Kante«, verließ sich nicht allein auf den geschmeidigen Streicherklang, was einen Effekt wie in Goethes Frühlingserwachen auslöste – vom Eise befreit …!

Das prometheische Erwachen leuchteten die Hörner (Solo: Jochen Ubbelohde) golden aus, womit sie auch im Larghetto Achtungszeichen setzten. Gerade die attacca gefügten Binnensätze waren ein Beispiel für den kühnen und bereichernden Gegensatz von langsamen Passagen und Belebung. Im Scherzo entfachten die Streicher mit leichten Tremoli zunächst kleine Spannungsspitzen, die sogleich ins Orchester wuchsen, jetzt vom Blechbläserchor um die Hörner auf ein hohes Plateau geführt, dem gegenüber das Trio Klarinette (Robert Oberaigner), Flöte (Rozália Szabó) und Fagott (Philipp Zeller) Bezugspunkte einer feinen Zeichnung setzte.

Daniele Gattis präzise Deutung erwies sich als individuell, muß weder den Vergleich scheuen, noch ist er zwingend notwendig – die Lesart ist stringent und steht für sich. Ein Energieschub ohne Rausch, der die Sinne vernebeln würde. Ob man das schon programmatisch für die Zukunft sehen muß? Wohl Warum? – Seien wir einfach gespannt.

17. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz

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