Tragik und Unbeirrbarkeit

Absolventenkonzert mit der Elbland Philharmonie in der Musikhochschule

So sehr wir »das schöne« an der Musik lieben – manchmal entspringen Werke unglücklichen oder tragischen Umständen. Als Antonín Dvořák während seines Amerikaaufenthaltes von der schweren Herzerkrankung seiner Schwägerin und Jugendliebe Josefina Kounicová erfuhr, mußte er damit rechnen, sie nicht mehr wiederzusehen. Für die Sopranistin, die in der Nähe von Prag lebte, arbeitete er ihr Lieblingslied »Kéž duch můj sám!« (»Laßt mich allein [in meinen Träumen geh’n]«) in sein Cellokonzert Opus 104 ein. Nach dem Tod von Josefina Kounicová 1895 änderte Dvořák sogar die Kadenz des dritten Satzes, indem das melancholische Liedzitat noch einmal direkt aufnahm.

Der Hintergrund zu Brett Deans »Short stories« ist vielleicht noch tragischer: am 24. April 1967 stürzte der Kosmonaut Wladimir Komarow, der am sowjetischen Mondflugprogramm beteiligt war, mit seiner Sojus-Kapsel ab. Da das Raumschiff verschiedene Probleme hatte, mußte Komarow die Landung manuell versuchen – die originalen Tonbänder der Funkgespräche, in denen verzweifelt versucht wurde, dem Kosmonauten zu helfen, liegen heute unter Verschluß. Allerdings wurde das Gespräch von anderen Satelliten mitgeschnitten und so teilweise zugänglich.

Wladimir Komarow (1927-1967) mit seiner Frau Valentina und Tochter Irina, Photo (1967): Smithsonian Institution Archives View, Bildquelle: Wikimedoa commons

Den australischen Komponist Brett Dean, früher Bratschist der Berliner Philharmoniker und in der Spielzeit 2019 / 20 Residenzkomponist der Dresdner Philharmonie (die sein Stück im 50. Jahrestag der Mondlandung aber leider nicht aufführte), müssen diese Mitschnitte – im Wissen des tragischen Ausgangs – stark berührt haben. Für Wladimir Komarow gab es kein »Apollo 13«, das mit der historischen Gewißheit des glücklichen Ausgangs so eindrücklich verfilmt wurde. Brett Deans Fünf Interludien für Streicher haben die Fassungslosigkeit ungemein emotional eingefangen, was schon im ersten Satz (Devotional / Andacht) deutlich wird, die Arietta am Ende gleicht einem Requiem. Dirigent Wojciech Nowik sorgte als erster von fünf (Dirigier)absolventen dafür, die tragisch-traurige Anlage fein zu differenzieren. Im vierten Teil (Komarows letzte Worte) spielten die Konzertmeisterinnen der Elbland Philharmonie Sachsen abwechselnd – wie der Funkverkehr zwischen Erde und Raumschiff verlaufen war.

Im Vergleich überwiegen in Antonin Dvořáks Konzert für Violoncello und Orchester (Ekkehard Klemm, der für die künstlerische Gesamtleitung verantwortlich war, wies darauf hin, den Namen doch bitte tschechisch, also auf der zweiten Silbe betont, auszusprechen) die positiven Erinnerungen. Wie beim zweiten großen Werk des Abends teilten sich gleich mehrere Absolventen in die Aufführung: Akim Korkin (Klasse Prof. Valentin Radutiu, 1. Satz) und Heewoo Cho (Prof. Emil Rovner, 2. und 3. Satz) übernahmen die Soloparts, Yeeun Oh und Tetiana Nikiforova (beide Klasse Ekkehard Klemm) teilten sich gleichermaßen ins Dirigat – ausnahmsweise also durften man nach dem ersten Satz einmal klatschen. In der Interpretation kamen sich beide Paarungen nahe. Akim Korkin und Yeeun Oh hatten vielleicht eine noch sinfonischere Auffassung, Heewoo Cho ließ im Adagio ihr Cello etwas vordergründiger singen, jedoch interpretatorisch begründet. Was gefiel war, daß beide (bzw. alle vier) eine Ausgewogenheit zwischen Struktur und Ausdruck bzw. (auch hier: emotionaler Emphase) fanden. Yeeun Oh nutzte besonders dynamische und Tempowechsel, um den Verlauf zu gestalten. Die Elbland Philharmonie, nun mit ihren Bläsern, blieb in ihrer Differenzierung – ähnlich wie bei Dean – fein und kontrastreich, leider schlichen sich nach dem wunderbaren Hornsolo zu Beginn hier und da aber Unsicherheiten ein.

Mit Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 (»Eroica«) gab es nach der Pause ein Werk, das geradezu für das Überwinden von Hürden und Hindernissen, für eine Neuausrichtung und einen Aufbruch in die Zukunft spricht. Auch hier blieb es bei einer Zweiteilung: Ovanes Ambartsumian (Klasse Georg Ch. Sandmann, 1. und 2. Satz) und Kathrin Hermann (Ekkehard Klemm, 3. und 4. Satz) ließen das Publikum nicht zuletzt an einem essentiellen Prozeß teilnehmen: dem Gewinnen an Erfahrung. So stellte Ovanes Ambartsumian schnell die Balance her, als die Blechbläser einmal zu laut schienen. Der Erlösungsmoment der Eroica lag schon im zweiten Satz (auch dieser Marcia funebre / Trauermarsch an sich tragisch) und wurde – wie in »Fidelio« – von der Oboe wachgerufen. Kathrin Hermann oblag es, den guten Ausklang nicht allein heiter (Scherzo) auszuzeichnen, sondern ihm Richtung und Beethovens Willen zur Tat einzuverleiben.

5. Januar 2024, Wolfram Quellmalz

Im Januar stehen neben Neujahrskonzerten und dem nächsten »Lied in Dresden« zahlreiche weitere Podien und andere Veranstaltungen auf dem Programm der Dresdner Musikhochschule:

https://www.hfmdd.de/veranstaltungen/

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