Loschwitzer Musiksommer mit der Cappella Sagittariana eröffnet
Am Freitag eröffnete der Dresdner Hofmusik e. V. mit der Cappella Sagittariana den Loschwitzer Musiksommer – alle zwei Wochen gibt es, beginnend am 7. Juni, jeweils 18:00 Uhr Vespern, die letzte am 13. September. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht. Darüber hinaus gibt es Sonderkonzerte wie zur Eröffnung und zum Abschluß (27. September mit dem Dresdner Barockorchester), aber auch im Rahmen des Elbhangfestes (unter anderem mit Pianist Peter Rösel), der Sommerakademie SINGELUST 24 oder zum Heinrich Schütz Musikfest wird in der Loschwitzer Kirche musiziert. Für die Sonderkonzerte wird in der Regel ein Eintritt erhoben (auf Veranstaltungsplakaten und im Internet zu finden).
»Grenzenlos« hieß es, als die Cappella Sagittariana unter der Leitung von Norbert Schuster durch die Jahrhunderte und durch europäische Länder reiste. Wobei beides schon zu knapp gefaßt ist – die Lebensdaten der Komponisten zwischen 16. und beginnendem 18. Jahrhundert schließen damals bereits überbrachte Themen ebenso ein, so wie die Instrumentalmusik, ursprünglich aus Deutschland, Italien, Frankreich und England, bis in den Mittelmeerraum und sogar Nordamerika vordrang.

Unterhaltungsmusik im besten Sinne war es, wie Sebastian Knebel in seiner Begrüßung betonte – neben der Kirchenmusik und dem Theater war es die dritte wichtige Gattung an den Höfen. Selbst ein Heinrich Schütz hat Unterhaltungsmusik geschrieben – nur leider ist kaum etwas davon überliefert! Manche seiner Kollegen und Weggefährten tauchten dafür im Konzert auf, etwa Johann Hermann Schein (ein Freund), oder Giovanni Gabrieli, der wohl wichtigste Lehrer. Ob Schütz Claudio Monteverdi getroffen hat, ist nicht überliefert, gekannt hat er dessen Musik allerdings sicher. Das musikalische Europa war damals keineswegs »zentriert«, auch wenn es Musikzentrum mit höherem und geringerem Gewicht gab. Der Grad des Austausches, gerade im Mittelmeerraum und über die Alpen, war enorm, und so finden sich immer wieder feine Verbindungslinien zwischen den Ländern oder Metropolen, gleichwohl blieben typische Merkmale und Identitäten erhalten – solche Neugier, Offenheit und Gelassenheit wünschte man sich heute manchmal wieder!
Zum Gemeinsamen gehört, daß vieles genauestens ausnotiert wurde, weil die Komponisten wollten, daß ihre Ideen möglichst exakt umgesetzt werden, um die gewünschten Affekte zu erreichen. Trotzdem ließen sie oft variable Besetzungen oder Anpassungen zu, wissend, daß die Voraussetzungen hinsichtlich Verfügbarkeit von Instrumenten und Virtuosen eben unterschiedliche waren.
Norbert Schuster saß mit dem Rücken zum Publikum am Kontrabaß und leitete so ein Konzert, das in jeder Hinsicht instrumentale Vielfalten offenlegte. Sie äußerten sich à tutti in den individuellen Stilen und Vorlieben der Höfe ebenso wie in den ausgewählten Besetzungen mit Bläsern und Trommel oder im Consort. Der aus England stammende William Brade durfte den Abend mit prächtigen Suiten zu fünf und sechs Stimmen, die in Hamburg erschienen, beginnen und abschließen. Und sogleich zeigte sich, daß die Lebendigkeit nicht allein der Abwechslung oder Frische zu verdanken war, sondern dem rhythmischen Maß. Denn viele der erklingenden Sätze gingen auf eine Tanzform zurück. Sie paarte sich mit vielen sanglichen Themen bereits bei den deutschen Werken von Schein (Canzon aus dem Cymbalum sionium) und Hans Leo Haßler (Canzon duodecima toni). Uta Schmidt und Petra Zámbó (Blockflöten), Friederike Otto und Miroslav Kuzl (Zinke) sowie Meike Theis und Robert-Christian Schuster (Dulziane) hoben charakteristische Stimmen hervor, wobei die Flöten in drei Größen verschiedene Tonlagen abdeckten, aber auch die Dulziane nicht weniger Puls spendeten.
Die italienischen (ein Canzon von Giovanni Gabrieli) und vor allem englischen Werke (Christopher Tyes »In nomine«) standen später unter anderem für die Praxis des Consorts, die einmal eine Streichergruppe (Geigen und Gamben um Uwe Ulbrich und Miyoko Ito) mit Begleitung oder ein reines Consort ohne Begleitung vorführten. Nicht allein die Schönheit, die (besonders) zu Herzen gehenden Klänge der Gamben oder Brillanz des großen Ensembles wirkten erfrischend – noch als Schreittanz mit kleinen Glissado-Effekten (Antony Holborne) blieb der Rhythmus das belebende Element. Es wurde hier und da effektvoll bereichert, mal um Schellen, mit Bogenvibrato oder durch kunstvolle Fugen (Pietro Andrea Zani). Nicht zu vergessen, daß Uwe Ulbrich seine Violine zeitgemäß auf dem Brustbein spielte.
Zu den »Hits« der Alten Musik zählt sicher Jean Baptist Lullys »Le bourgeois gentilhomme«. Der »Türkische Marsch« aus der Suite (ursprünglich ein Comédie-ballet) durfte als Zugabe noch einmal auftrumpfen.
24. Mai 2024, Wolfram Quellmalz