Trinitatisfest mit einem Thomaskantor

Johann Kuhnau in der Dresdner Kreuzvesper

Nach dem Oster- und dem Pfingstfest läutete Trinitatis am Sonntag die »festlose Zeit« ein – erst mit dem Michaelisfest (29. September) und Erntedank (6. Oktober) kehren die Feiertage wieder. Barbara Pym läßt ihre Heldin Mildred in »Vortreffliche Frauen« über die Orientierungslosigkeit in diesen langen (für Mildred ereignisarmen) Wochen zaudern.

In der Dresdner Kreuzkirche wurde das Trinitatisfest am Sonnabend besonders festlich eingeläutet. Während der Kreuzchor gut eine Stunde später mit der Philharmonie im Kulturpalast sang [unser Bericht folgt in zwei Tagen] wurde (es wird doch kein »kaum ist die Katze aus dem Haus …«-Effekt gewesen sein?) einem Thomaskantor in Abwesenheit der Kruzianer ein besonderes Podium eingeräumt. [Ende des ironischen Einschubs – natürlich stehen sich Kreuzchor und Thomanerchor in vitaler Konkurrenz, aber auch aufgeschlossen und mit Respekt gegenüber. Daher gehört Thomaskantor Bach ebenso in Dresden zum Kernrepertoire.]

Johann Kuhnau (Portrait eines unbekannten Künstlers, nach 1829), Stadtmuseum Leipzig, Bildquelle: Wikimedia commons

Abgesehen davon, daß wir unseren Lesern Barbara Pym tatsächlich gern ans Herz legen, erlebten wir nicht nur eine ungemein festliche Vesper, sondern Werke eines überraschend innovativen Komponisten. Insofern sollte man dabeibleiben, Johann Kuhnau, dessen Gedenkjahr (300. Todestag 2022) von der Pandemie eingeschränkt war, weiter zu erforschen und zu hören.

Seine Kantate zum Trinitatisfest »Gott, der Vater, wohn uns bei« überraschte beim Blick ins Programm zunächst: sie besteht aus nur einer Sonata und einem Chorus – hatte sie jemand gekürzt? Doch in der Aufführung der Capella Sanctae Crucis Dresden mit dem Solistenquartett Heidi Maria Taubert (Sopran), Stefan Kunath (Altus), Tobias Hunger (Tenor) und Clemens Heidrich (Baß) zeigte sich kein Deut »Ausschnitt« oder Unvollständigkeit. Auf die vom warmen Klang der Instrumente geprägte Sonata folgte ein erzählerischer Chorus, der zwischen den Zeilen die Stimmen wechseln und in der Oboe den Choral erscheinen ließ. Die lebhafte Ausmalung durch die Sänger sorgte dafür, daß trotz gegebener Knappheit kein Gefühl der Gedrängtheit aufkam. Besonders Alt (»… und hilf uns selig sterben«) und Baß (geradezu flammend: »Für den Teufel uns bewahr«) trugen dazu bei, affektiv auf den Inhalt zu fokussieren – das fröhliche »Amen« und »Allejuja« hallte im Kirchenschiff nach.

Die folgende Kantate zum Pfingstfest »Schmücket das Fest mit Maien« von Johann Kuhnau band noch einmal die Festtage der letzten Zeit enger zusammen. Wie damals in Leipzig üblich, war sie in zwei Teilen vom Wort zum Sonntag und der Lesung unterbrochen. Auch nutzte Kreuzorganist Holger Gehring die Gelegenheit, vor dem Gemeindegesang (»Den Herren will ich loben«, GL 395) Nicolas de Grignys brillanten Hymnus »Veni creator spiritus« (»Komm, Schöpfer Geist«) liturgisch einzubinden. Es gehört zweifelsohne zu den schönsten Stücken der Orgelliteratur und unterstrich hier den festlichen Anlaß noch einmal. Gleichzeitig darf man es als Hinweis auf die Ferienzeit nehmen, wenn die Vespern durch den Orgelsommer abgelöst werden und der Dresdner Orgelzyklus mit den Internationalen Dresdner Orgelwochen eine zusätzliche Aufwertung erfährt.

Kuhnaus zweite Sonate an diesem Abend stand der ersten in Struktur und Aufbau (bei inhaltlicher Schönheit) fast gegensätzlich gegenüber. Umfangreich in Anlage und Satzfolge zeigte sie, daß es in der Zeit vor und zu Bach durchaus freiere Formen gegeben hat als eine strenge Folge von Rezitativen und Arien mit zugewiesenen Stimmen, die von einem Choral beschlossen werden. So erwiesen sich Kuhnaus Recitative als kantabel und beinhalteten bereits Elemente des Accompagnato, welches der Komponist allerdings an geeigneter Stelle noch dezidiert zwischen zwei Arien gesetzt hat. Zum fast schon italienischer Stil gehörten eine pastorale Form (von Blockflöten begleitete Arie »Gelinder West, komm zu mir«) sowie die (wiederum affektive) Bereicherung der Rezitative durch melismatische Dehnungen. Geradezu sinnlich gelang das Duett / Accompagnato von Sopran und Baß (»Das ist die Stimme meines Herzens«). Und auch der »helle Schein« des Chorus, welcher den ersten Teil beschloß, war von Kuhnau lichtvoll getroffen und von der Capella Sanctae Crucis Dresden ebenso in Szene gesetzt worden.

Der zweite Teil der Kantate barg nicht weniger erstaunliche musikalische Vielgestalt. Schon die fortsetzende Sopran-Arie (»Getrost, ich weiß«) berührte mit ihrer Schlichtheit (Begleitung nur im Basso continuo), bevor Violinen und vor allem Oboen den Festglanz wieder herstellten. Da hätte man sich bei mancher Arie gewünscht, sie enthielte ein da capo, wie es Bach verwendet hat!

27. Mai 2024, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Sonnabend findet die letzte Kreuzvesper des Schuljahres mit dem Dresdner Kreuzchor statt. Es erklingen Johann Sebastian Bachs Kantate »Brich dem Hungrigen dein Brot« (BWV 39) sowie Werke von Heinrich Schütz, Felix Mendelssohn Bartholdy und Agnes Ponizil (Uraufführung)

https://www.kreuzkirche-dresden.de

Buchtip: Barbara Pym »Vortreffliche Frauen«, erschienen bei Piper (Buch und Taschenbuch) sowie in neuer Übersetzung bei DuMont (Buch, Taschenbuch und e-Book)

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Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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