Zwei Werke – zwei Welten (?)

Dresdner Kreuzchor mit geistlicher Musik im Kulturpalast

Nur ein paar hundert Meter vom eigentlichen Domizil des Dresdner Kreuzchores, der Kreuzkirche, entfernt liegt der Kulturpalast. Einmal quer über den Altmarkt gehen, und man ist da. Der Kreuzchor trat hier am Sonnabend nicht zum ersten Mal im Konzertsaal auf, auch nicht mit geistlichen Werken. Sogar die beiden Stücke des Programms hatte er schon einmal gemeinsam mit der Dresdner Philharmonie im (alten) Kulturpalast aufgeführt. Beide übrigens erstmals in der Amtszeit von Martin Flämig, der ein Vorgänger Martin Lehmanns war, der im einen Fall (Poulenc) selbst Kruzianer gewesen ist.

Der aktuelle Kreuzkantor hatte sich einiges vorgenommen, denn daß Francis Poulencs »Gloria« für Sopran, gemischten Chor und Orchester liturgisch einem Satz aus Schuberts Messe für Soli, Chor und Orchester As-Dur (D 678) entspricht, ist höchstens eine Fußnote – in der Erarbeitung liegt darin kein Vorteil, so unterschiedlich sind die beiden Stücke!

Der Dresdner Kreuzchor im Kulturpalast Dresden, Photo: Dresdner Kreuzchor, © Martin Jehnichen

Dabei lohnte das Programm in jeder Hinsicht. Zum Beispiel, um einer der Messen Franz Schuberts wieder einmal ausreichend Gehör zu schenken. Jene in As-Dur besticht besonders durch ihre dichte Verwebung der Stimmen von Soli, Chor und Orchester, wobei schon die Solisten (Elsa Benoit/ Sopran, Ulrike Malotta / Mezzosopran, Patrick Grahl / Tenor und Klaus Häger / Baß) selten allein, meist im Quartett hervortreten.

Bereits das Kyrie, dessen drei Zeilen sonst meist stark in Stimmen getrennt ausgeführt sind, scheint sehr kompakt. Bei Schubert verbinden sich die Bläser vielleicht noch inniger mit den Sängern.

Der Kreuzchor bewies an diesem Abend seine ungemeine Flexibilität. Einerseits mit enormer Wortverständlichkeit (auch beim lateinisch vorgetragenen Text in Poulencs Gloria), andererseits in der farbigen Gestaltung. Wobei die chromatische Palette Schuberts eine deutlich andere als die Poulencs ist. Das erste Gloria des Abends ließ das »Ehre sei Gott« fast schon feurig in den Saal fluten, gleichzeitig traten die Stimmen im Chor wie im Orchester (bis hin zur Orgel) nach dem sachten Beginn im Tutti deutlicher hervor. Der Kreuzchor war und blieb wesentlicher Gestaltungspartner, denn er hatte nicht nur Antworten zu geben oder Aussagen des Solistenquartetts zu unterstreichen, viele wesentliche Passagen lagen primär bei ihm.

Daß besonders das Gloria eine differenzierte Wiedergabe erfordert und einen fast schon dramaturgischen Verlauf beinhaltet, verstand sich beinahe von selbst. Martin Lehmann trennte die Abschnitte nicht mit Generalpausen, sondern ließ den Textfluß in der Musik zu. Damit waren Steigerungen wie in »Denn du allein bist der Heilige« oder das vorläufige »Amen« noch wirkungsvoller.

Der Dresdner Kreuzchor und die Dresdner Philharmonie, Photo: Dresdner Kreuzchor, © Martin Jehnichen

Die Dresdner Philharmonie blieb an dieser Gestaltung beteiligt, nicht nur an der stimmungsvollen, sondern ebenso in unterstreichenden Soli und in Instrumentalgruppen, wie den Pizzicati der Celli im Benedictus.

Franz Schubert war für Francis Poulenc durchaus ein Vorbild, auch wenn er nicht versuchte, ihm zu folgen. Er widmete ihm aber unter anderem eine Hommage für Klavier (Nr. 12 aus den 15 Improvisationen FP 113). Sein Gloria ist nicht nur im Stil ungleich expressiver als jenes von Schubert, es steht als Satz bzw. Werk allein und ist nicht Teil einer Messe.

Auch die Besetzung ändert sich – an Stelle des Orgelspieltisches steht nun eine Harfe (Nora Koch) auf der Bühne, die Soli werden fast von der Sopranistin allein übernommen, bis auf einige Zeilen, die Patrick Grahl hinter dem Orchester sitzend vortrug.

Geglückte Aufführung: Kreuzkantor Martin Lehmann, Photo: Dresdner Kreuzchor, © Martin Jehnichen

Doch ungeachtet solcher Äußerlichkeiten gelang Kreuzkantor Martin Lehmann nach der Pause praktisch eine Art Kehrtwende – wieder einmal zeigte der Kreuzchor, wie unterschiedlich er klingen kann. In Verständlichkeit oder Geschlossenheit ließ er dabei nicht nach. Im Gegenteil belebte er das modern klingende Werk und arbeitete auch hier Betonungen und Verlauf sorgsam heraus, wie im hervorgehobenen »te« des »glorificamus te« ([Wir] verherrlichen dich).

Trotz gleichen Textes und gleichen »Ziels« fühlte man sich in einer ganz anderen Welt. Egal, ob man nun weiter mit Schubert verglich oder einfach dem in Chor und Orchester schwebendem Eindruck beim Gratias agimus (Wir sagen Dank) nachspürte – das »Erlebnis Kreuzchor« stellte sich so oder so ein.

26. Mai 2024, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Sonnabend bereits ist er zum letzten Mal in diesem Schuljahr in der Kreuzchorvesper zu erleben. Danach geht er auf Reisen, traditionell der Abschluß für die aktuellen Abiturienten.

https://www.kreuzkirche-dresden.de

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