Leipziger Kammermusiker zu Gast bei der Staatskapelle
Der jährliche Austausch zwischen Musikern der Sächsischen Staatskapelle und des Gewandhausorchesters Leipzig, die sich zu Kammerabenden jeweils einmal pro Spielzeit gegenseitig besuchen, sah am Donnerstag in der Semperoper ein wenig nach Damensalon aus – und brachte all dessen elegante Vorzüge mit. Vielleicht war der eine oder andere vorab etwas enttäuscht, da doch ursprünglich ein ganzer Quartettabend angekündigt war. Doch krankheitsbedingt mußten die Besetzung und das Programm geändert werden. Nathalie Schmalhofer (Violine), Konstanze Pietschmann (Violoncello) und Moeko Ezaki (Klavier) hatten daher kurzfristig übernommen und sich bemüht, eine vergleichbare Folge zusammenzustellen: Robert Schumann als frühlingshafter Romantiker behielt den Konzertbeginn, statt Hans Krása gab es Gabriel Fauré, Franz Schuberts Rosamunde-Quartett wurde durch ein Trio des jungen Ludwig van Beethoven ersetzt, dem man durchaus Quartettambitionen unterstellen darf.
Robert Schumanns Drei Phantasiestücke Opus 73, ursprünglich für Klarinette und Klavier geschrieben, erklangen in der Bearbeitung für Violoncello und Klavier von Friedrich Grützmacher. Jener Cellist war nur eines der Bindeglieder an diesem Abend, hatte er doch erst im Gewandhausorchester und am Leipziger Konservatorium gewirkt sowie später in der Königlichen Kapelle in Dresden gespielt.

Das »Phantasie« nicht nur frei in der Form meint, sondern auch frei klingt, bewiesen Konstanze Pietschmann und Moeko Ezaki vom ersten Ton oder – möchte man fast sagen – ersten Atemzug an. Verhältnismäßig sanft leise vor allem im Violoncello, hoben die beiden Musikerinnen den gesanglichen Charakter der Stücke hervor, nicht zuletzt durch ihre Betonungswechsel, so daß sich der Eindruck eines beredsamen Gesprächs einstellte. Auch im zweiten der Stücke, nun durchaus bestimmender im Charakter, blieb ein gegenseitiges Argumentieren erhalten. Im letzten (Rasch, mit Feuer) steigerten Konstanze Pietschmann und Moeko Ezaki die Emphase noch einmal, wahrten aber die musikalische Argumentation – keine Ekstase, keine übertriebene Vordergründigkeit.
Die erste Violinsonate von Gabriel Fauré gab es erst kürzlich im Rahmen der Dresdner Musikfestsiele zu hören. Also bestand eine Gelegenheit, das fast sinfonische Format der Sonate hörend neu zu verinnerlichen. Eine Vergleichsmöglichkeit – gerade bei solchen selten gespielten Stücken lohnt es meist! Denn in der Beredsamkeit von Nathalie Schmalhofer und Moeko Ezaki trat nicht nur eine leichte, phantasievolle Gestaltung hervor, vor allem der lerchenhafte Violinton entzückte! Was nicht heißt, daß Nathalie Schmalhofer oder beide Musikerinnen es leicht genommen hätten – im Gegenteil: das Allegro des Anfangs hatte einen kräftigen Impuls, das Scherzo offenbarte fragile Passagen ebenso, wie es sich glättete und dem Lied nahekam. Beseelt, nicht erschöpft ging es in die Pause …
Schließlich vereinigten sich alle drei Spielerinnen in Ludwig van Beethovens Klaviertrio Opus 1 Nr. 3 c-Moll. Und da zeigte sich: auch à trois kann man eine Quartettgesellschaft gründen – Beethovens Stimmen legen es ohnehin nahe. Dennoch blieb die Eleganz des Salons im Spiel weiter erhalten, mancher energischer Einwürfe zum Trotz. Gerade die Gleichwertigkeit der drei Instrumente, die sich in der Anlage ebenso zeigte, wie das Trio ihr in seiner Interpretation entsprach, konnte nur erfreuen. Immer wieder erwies sich Moeko Ezaki als treibende Kraft, die mal energisch beschleunigte, dann aber wieder leicht perlend die Streicherinnen umarmte.
Spätestens mit dem furiosen Finale durfte man wieder staunen, was der frühreife Beethoven da zu Papier gebracht hatte. Violine und Violoncello steigerten, auf einem gemeinsamen Ton stehend, einen Spannungsmoment, der sich aber im Trio lösen durfte. Prestissimo fochten die drei bis zum Schluß, der noch einmal mit seiner Sanftheit überraschte.
Den reichen Dank des Publikums gaben Nathalie Schmalhofer, Konstanze Pietschmann und Moeko Ezaki zurück. Zugaben sind im Kammerabend wegen der sonst am Abend wechselnden Besetzung nicht üblich, doch zu dritt vereint gab es nun Kostprobe à la Tschaikowski trifft Tango, in sich viele (Liebes)meldodien verbanden. Luftig, als hätten sie das spontan improvisiert!
31. Mai 2024, Wolfram Quellmalz