Abschlußfest mit Entdeckungen

Sonderkonzert der Meisterwerke in Pillnitz

Kurz vor den Ferien endet die Reihe Meisterwerke – Meisterinterpreten jeweils mit einem Sonderkonzert, daß nicht im heimatlichen Domizil des Gemeindesaals Strehlen, sondern in der Pillnitzer Weinbergkirche stattfindet. Traditionell strahlt dann immer die Sonne und leitet zum Hochsommer über, zumindest in den letzten Jahren war dies ausnahmslos so. Ob es am zeitigen Ferienbeginns lag oder nicht – wenige Tage vor dem offiziellen Sommeranfang war der Aufstieg am Sonntagnachmittag bei bedecktem Himmel deutlich angenehmer, über den erfrischenden Guß im Anschluß gingen die Meinungen allerdings auseinander …

Nach dem letzten Konzert der Jubiläumsspielzeit (70. Jahrgang) kann die Reihe eigentlich frohgemut ausblicken: im November wird zur Saisoneröffnung das Weimarer Klavierquartett erwartet, später kehrt das Barbican Quartet wieder, auch mit Peter Rösel gibt es ein Wiederhören (März). Darüber hinaus offerieren Musiker aus der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie inclusive ihrer Gäste wieder ein umfangreiches, vielseitiges Programm. Zum Saisonausklang wird dann in der Weinbergkirche sogar Marek Janowski erwartet.

Immer wieder gibt es bei den Meisterwerke – Meisterinterpreten junge Musikerinnen und Musiker zu erleben, wie im kommenden Jahr Charlotte und Friedrich Thiele. Am Sonntag war Nikolaus Branny mit von der Partie, der sich als Solist und Kammermusikpartner bereits so stark im Musikleben etabliert hat, daß man sich vergegenwärtigen muß, daß er immer noch ein Nachwuchstalent ist und studiert. Diesmal zeigte der 23jährige Pianist noch mehr von seiner Vielseitigkeit und wechselte einmal an die Orgel. Auch wenn es »nur« ums Continuo-Spiel ging, zeugt es doch vom musikalischen Verständnis und der Auffassung, daß Musik wesentlich vom Zusammenwirken der Akteure abhängt.

Während der eine junger Musiker den meisten schon bekannt gewesen sein dürfte, war die Sopranistin Ofeliya Pogosyan für viele wohl eine Entdeckung. Zwischen 2021 und 2023 gehörte sie zum Jungen Ensemble der Semperoper Dresden, wo sie mittlerweile als Gast zu erleben ist. In Pillnitz bewies sie ihr feines Gespür für Konzertarien, wobei »Konzertarie« Georg Friedrich Händels »Neun deutsche Arien« (HWV 202 bis 2010) zwar konkret, aber unzureichend einordnet. Es sind auch weder Jugendwerke Händels noch kleine, unbedeutende Stücke, vielmehr zeigen sie den damals bereits lange in London lebenden Komponisten, der unter anderem für seinen italienischen Stil und die englischen Oratorien gelobt wurde, an einem Wendepunkt zwischen Barock und Empfindsamkeit. Zwar verhältnismäßig schlicht gehalten, schlagen sie dennoch über den Gedanken bzw. Text hinaus eine »innere Saite« an. Ofeliya Pogosyan offenbarte darin kleine Andachten und wandelte zwischen beschaulichen Momenten, die in der Zugewandtheit zur Natur Erfüllung fanden (»Das zitternde Glänzen der spiegelnden Wellen« oder »Süße Stille, sanfte Quelle«), sich aber gleichzeitig religiösen Themen der Erbaulichkeit (»Flammende Rose, Zierde der Erden«) zuwandten. Statt funkelnder Koloraturen hob sie die schlanke, oft lyrische Linie der Arien hervor, konturierte sie mit sanften Schwüngen über Tonstufen, die teils einen erstaunlichen Verlauf zeigten, dann wieder große Unterschiede im Temperament, trotzdem aber gänzlich ohne auffällige Effekte auskamen. Den Namen Ofeliya Pogosyan dürften sich viele Konzertbesucher wohl merken.

Von den Musikern wurde die Sopranistin sozusagen umhegt. Für ein farbiges Continuo sorgten Nikolaus Branny und Matthias Wilde, die ersten vier Arien von oben mit den Ausführenden um die Jehmlich-Orgel erklangen. Später wechselte Nikolaus Branny an ein Orgelpositiv und mit ihm die Musiker in den Altarraum.

Eva Dollfuß, Undine Röhner-Stolle, Nikolaus Branny, Ofeliya Pogosyan und Matthias Wilde, Photo: NMB

Die Gesanglichkeit lag aber nicht allein bei der Sopranistin, sondern nicht weniger bei Eva Dollfuß (Violine) und vor allem Undine Röhner-Stolle (Oboe), die Ofeliya Pogosyan wechselweise begleiteten. Eva Dollfuß trat im ersten Teil auch solistisch mit Bernd Alois Zimmermanns Sonate für Violine solo auf, die einen überraschenden Gegensatz zu Händel bot und mit ihrer Toccata für spannende Atemlosigkeit sorgte. Matthias Wilde setzte nach der Pause einzelne Sätze aus Johann Sebastian Bachs Cello-Suite c-Moll (BWV 1011) zwischen Händels Arien, wobei vor allem die beschwingte Gigue emotional vorausnahm, was in den Texten folgte.

17. Juni 2024, Wolfram Quellmalz

Die nächste Spielzeit von Meisterwerke – Meisterinterpreten beginnt am 3. November im Gemeindesaal der Strehlener Kirche.

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