Jean-Baptiste Monnot brachte in die Kreuzkirche Grüße aus der Normandie
Jean-Baptiste Monnot, der Gast der Internationalen Dresdner Orgelwochen am Mittwoch in der Kreuzkirche, stammt aus Rouen, spielt jedoch nicht in der Kathedrale (wo es vor einer Woche zu einem glücklicherweise schnell gelöschten Brand kam), sondern ist als Titularorganist an der noch größeren Abteikirche St-Ouen angestellt. Den imposanten Bau zu besuchen, empfohlen er und Gastgeber Holger Gehring dringend, wenn man sich in der Normandie aufhalte. Unter anderem gäbe es 5500 Quadratmeter (!) erhaltene Fenster aus dem Mittelalter zu bestaunen sowie eine prachtvolle Orgel von Aristide Cavaillé-Coll. Sie gehört mit der Orgel in St-Semin (Toulouse) zu den letzten großen Werken des Meisters. Für Jean-Baptiste Monnot war mit zwölf Jahren eine Cavaillé-Coll-Orgel der Auslöser, der ihn bewog, Organist zu werden.

Französische Orgel seien oft nicht größer, aber lauter, war im Vorgespräch »Unter der Stehlampe« zwischen dem Gast und dem Kreuzorganisten zu erfahren. Vor allem deshalb, weil ihr Winddruck höher ist. Diese Charakteristik brachte Jean-Baptiste Monnot nicht nur mit, er setzte ihn auch gezielt an der Jehmlich-Orgel der Kreuzkirche um. Somit gelang ihm, in seiner Werkauswahl nicht nur durch die Jahrhunderte zu schreiten, sondern ein enormes Klangspektrum aufzuweiten, das zeigte, wie groß manche Entwicklungsstufe war – eher ein Sprung!
In Johann Sebastian Bachs Dorischer Toccata und Fuge d-Moll (BWV 532) schon verbanden sich die verspielte, freizügige und einfallsreiche Anlage mit einem wachsenden, groß werdenden Klang. Im Baß des Pedals fand sich nicht allein ein Gegensatz, sondern eine kräftige Basis, über der sich die Verspieltheit noch in der lebhaften Fuge austoben durfte. Den Reichtum einer ornamentalen Fülle führte Jean-Baptiste Monnot auf einen strahlenden Gipfelpunkt.

Danach traten in Bachs Triosonate aus dem Musikalischen Opfer (BWV 1079) zunächst ein gesangliches Duo und ein konzertant geprägtes Andante hervor, bevor sich die Virtuosität vollends entfalten durfte. Mit dem choralartigen Thema des Kanons gewannen Gesanglichkeit und Virtuosität ein Gleichgewicht.
Auch Wolfgang Amadé Mozarts Phantasie f-Moll (KV 608) hat eine vergleichsweise feingliedrige, verspielte Anlage. Reizvoll war, wie Jean-Baptiste Monnot die Phantasie aus dem Baß aufsteigen ließ. Ursprünglich für eine »Flötenuhr« geschrieben, wird uns das Werk oft in kleineren Dispositionen vorgeführt. Hier hatte sich der Organist offenbar entschieden, die Klangfülle der Orgel (vielleicht, wie er es in Rouen darstellen würde) auszunutzen. Ein für manche ungewohnter, dennoch willkommener Effekt, der das Werk einmal in anderer Dimension zeigte.

Derart vorbereitet konnten sich Werke der französischen Spätromantik bzw. der Moderne anfügen – kein »Bruch«, sondern ein »Sprung«. Wobei César Francks »Romantik« nicht nur französisch, sondern einzigartig ist, schon deshalb, weil er einen konsequent französisch-sinfonischen Stil pflegte. Sein Choral Nr. 2, in h-Moll wie Franz Schuberts »Unvollendete«, schien aus so tiefer und weiter Ferne zu kommen, als stiege das Thema aus der Erde auf und ginge dann ins Hauptwerk bzw. in die die Melodie über, bis schließlich in den Himmel (Oberwerk). Gleichzeitig verschmolzen Ornamentik und Motiv mit Farbe und Stimmung (also Betonung des Klangs), bis sich die eben noch strahlende Höhepunktstimmung musikalisch in einem Ruheakkord auflöste.

Hinsichtlich Tonalität und Modernität war Jean Guillou nicht nur einen, sondern mehrere Schritte weitergegangen. Ähnlich wie bei Jean Langlais eine Woche zuvor kam es damit zu einer Wiederbegegnung mit einem der wichtigsten und prägendsten Vertreter der französischen Orgelkultur – der 2019 verstorbene Guillou hat neben eigenen Werken auch zahlreiche Einspielungen hinterlassen.
Mit Hypérion und Les feux du silence – Agni Ignis (sowie dem Gruß der Zugabe) präsentierte Jean-Baptiste Monnot dem Publikum zwar nur einen Ausschnitt aus diesem Œuvre, dieser zeugte aber von sagenhafter Kreativität. Wenn uns Mendelssohns »Lieder ohne Worte« fast unweigerlich auf einen Text oder Inhalt führen, so kann man bei Guillou den Inhalt als Bilder erkennen, welche in Musik dargestellt oder fast unweigerlich im Kopf des Zuhörers evoziert werden. In der Tiefe des Basses schien er auf Francks Choral zurückzugreifen, allerdings wurden schon im ersten Teil Dunkelheit und Wolken von Klangblitzen aufgehellt. Feuer und Flamme sozusagen – davon gerne mehr!
18. Juli 2024, Wolfram Quellmalz
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