Zeitenbetrachtungen

Elbland Philharmonie durchlotete die Romantik

Selbst wenn man keine Bezüge zu Caspar David Friedrich schafft, dem sich die Elbland Philharmonie Sachen in dieser Spielzeit immer wieder zuwendet, oder Konzerttitel wie »Licht am Horizont« ableitet, ist das Feld der romantischen Musik doch eines der interessantesten. Nicht nur, weil die Epoche prägend war für unsere heutige Landschaft der Sinfonieorchester, sondern vor allem wegen ihrer höchst lebendigen Vielfalt. An den Grenzen mögen sich Anfang und Ende der Romantik in etwa festlegen lassen, bei genauerer Betrachtung ergeben sich fließende Übergänge.

Zum Beispiel bei Ernst Theodor Amadeus (E. T. A.) Hoffmann. Als Dichter Dresden verbunden und literarisch sozusagen ein Wegweiser für die Epoche, ist sein kompositorisches Schaffen kaum weniger interessant. Die eindeutige »romantische« Einordnung fällt hier jedoch schwerer. Die Elbland Philharmonie nimmt in ihrem ersten regulären Philharmonischen Konzert der Saison den Faden auf und präsentiert Hoffmanns Ouvertüre aus der Schauspielmusik »Das Kreuz an der Ostsee«. Die allein ist schon ein lohnendes Erlebnis, das man selten geboten bekommt. In der Marienkirche Pirna hallte beeindruckend durch das Schiff – die enthaltene Düsternis (das zugrundeliegende Werk ist ein Trauerspiel) bedrückte nicht die Seele, sondern entfaltete eine geradezu bildhafte Kraft. Insofern also durchaus romantisch.

Mit Carl Maria von Webers Klarinettenkonzert Nr. 2 (Opus 74, Es-Dur) blieb die Elbland Philharmonie fast in der Zeit (das Werk entstand etwa fünf Jahre nach Hoffmanns Ouvertüre), in seinen virtuosen Ecksätzen zeigt Weber aber auch, daß er von Mozart kommt. Wobei man nicht vergessen darf, daß er damals einen Solisten hatte, dem er das Stück auf den Leib bzw. in die Klarinette schrieb – Joseph Baermann. Robert Oberaigner, Solo-Klarinettist der Sächsischen Staatskapelle, übernahm diese Rolle glänzend. Denn er kann die Läufe und Sprünge nicht nur munter, sondern gediegen ausführen. Wenn sich die Klarinette beispielsweise in luftige Höhen schwingt, bekommt sie oft noch eine »Beschleunigung« durch den Spieler, wird dabei aber schärfer. Robert Oberaigner war weit davon entfernt, milderte gerade diese Spitzen noch einmal, ohne ihnen die Brillanz zu nehmen und ergänzte die Romantik und Virtuosität noch um eine Komponente der Galanterie.

Robert Oberaigner, Photo: © Andrej Kasik

Die Elbland Philharmonie gefiel an diesem Abend besonders in der dichten Geschlossenheit von Streichern und Bläsern, die Holzbläser (vor allem Flöte) fanden im Andante zu schönen Dialogen mit der kantablen Solo-Klarinette. Mit der ariosen Ausgestaltung erinnerte Robert Oberaigner daran, daß Weber schließlich auch Opernkomponist war. Auf das ernsthafte Werk, eines der Schmuckstücke der Klarinettenliteratur, antworte der Solist mit einem gewitzten Gruß aus seiner Tiroler Heimat: Werner Pirchers »Drei Klare«.

Nach der Pause zeigten Chefdirigent Ekkehard Klemm und die Elbland Philharmonie mit der sechsten Sinfonie von Anton Bruckner (WAB 106) eine weitere Facette der Romantik vor und erklommen eine der höchsten Stufen der Epoche. Daß sie anfangs etwas »wackelten« (Hörner) und das Majestoso noch mit Kraft (forciertem Klang) stemmten, war zumindest im Hinblick auf die Besetzung nachvollziehbar. Schon bald aber verschmolzen gerade die Streicher wieder homogen, wurde das Pizzicato der Celli und Kontrabässe weicher, ohne an Kontur zu verlieren. Manchmal braucht es eben die Größe gar nicht, wenn sich die Dichte auch so realisieren läßt. Mit dem Adagio war sie wieder da, wurden Bruckners teils gewaltige Ströme fast plastisch dargestellt, ohne die darin enthaltenen Soli zu verdecken. Und wer mochte – ein Vorteil, wenn man Bruckner öfter hört, wozu im Jubiläumsjahr schließlich Gelegenheit ist – konnte entdecken, wie aus einem aufsteigenden Anfangsmotiv ein zunächst kleines, abfallendes ableiten wurde, das im zweiten Satz unmerklich, beginnend bei den Oboen, hier und da auftauchte, bis es im letzten Satz für eine strömend heitere Stimmung sorgte. Nicht zuletzt begünstigte die Präzision, mit der die Stimmen ausgeführt waren, solches Zuhören und Schwärmen.

27. September 2024, Wolfram Quellmalz

Heute (19:00 Uhr, Landesbühnen Radebeul) noch einmal: »Licht am Horizont«, Elbland Philharmonie Sachsen, Robert Oberaigner (Klarinette), Ekkehard Klemm (Dirigent)

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