Kreuzvesper zum Epiphaniasfest
Mit dem Epiphaniasfest bzw. Dreikönigstag schließt sich sozusagen der »innere Kreis« des Weihnachtsfestes, dessen Zeit wir noch bis zum 2. Februar ausklingen lassen dürfen. In der Dresdner Kreuzkirche sorgte am vergangenen Sonnabend die Capella Sanctae Crucis Dresden für eine besondere musikalische Gestalt, die auch liturgisch mit den Lesungen aus dem ersten Johannesbrief (Kapitel 2: »Denn die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon«), aus Jesaja 60 (»Zions künftige Herrlichkeit«), Epheser 3 (»Der Auftrag des Paulus für die Heiden«) sowie Matthäus 2 (»Die Weisen aus dem Morgenland«) für den Festtag besonders eingerichtet war. Wem das Wort zum Sonntag fehle, hatte Superintendent Christian Behr gemeint, könne dies am nächsten Morgen ja nachholen. Das hätte durchaus lohnen können, nicht nur, um zu überprüfen, ob der Superintendent tatsächlich so regelmäßig den Zeitpunkt 10:02 Uhr »trifft«, wenn er auf die Kanzel tritt, wie er selbst sagte, sondern nicht zuletzt, um die Musik noch einmal zu hören.
Als zentrales Werk hatte Kreuzorganist Holger Gehring die Kantate »Stern aus Jakob, Licht der Heiden« von Georg Philipp Telemann (TWV 1:1398) ausgewählt, nachdem er Johann Sebastian Bach noch einmal die Gelegenheit eingeräumt hatte, auf den Morgenstern zu verweisen (Choralbearbeitung »Wie schön leuchtet der Morgenstern« BWV 739 nach dem Praeludium G-Dur BWV 568 zum Einzug).

Neben den Lesungen folgte der Gemeindegesang der besonderen Gestalt der Vesper, worin sich Gemeinde und das Solistenquartett (Heidi Maria Taubert / Sopran, Elisabeth Holmer / Alt, Jonas Finger / Tenor und Johannes G. Schmidt / Baß) wechselweise gegenüberstanden. Das Quartett bewies dabei a cappella bereits reichlich Leuchtkraft!
Noch vor Telemanns Kantate kam ein Auszug aus dem Weihnachtsteil von Georg Friedrich Händels »Messias« zur Aufführung. Natürlich zum Anlaß der Andacht in der deutschen Übersetzung, damit das Wort von der Gemeinde auch gehört werden kann. Wer schon einmal eine Aufführung in Originalsprache erlebt hat (wozu in Dresden mehrfach Gelegenheit war), merkte natürlich, daß die fast überwältigende Wirkung mancher Worte, wie das »Arise« in der Alt-Arie (O thou* that tellest good tidings to Zion, arise, shine … / Mache dich auf, strahle, denn dein Licht kommt …) auf englisch natürlich doch noch ein wenig mehr strahlen. Was aber eine rein theoretische Betrachtung ist, denn die Capella Sanctae Crucis Dresden fand für diesen Messias ebensoviel instrumentale Schönheit wie ausdrucksstarke Emotionalität (Elisabeth Holmer mit deutlichem, aber gestaltungssicher gesetzten Vibrato).
Telemanns Kantate zum Epiphaniasfest entwickelte von Beginn eine große Sogwirkung, hat der Komponist doch auf eine dezidierte Sinfonia verzichtet und statt dessen eine Sopran-Arie (allerdings mit Sinfonia-Einleitung) an den Anfang gestellt, in der Heidi Maria Taubert sogleich eine helle, positive Verkündigung aussprach (»Sonne der Gerechtigkeit«) – ein positiver Duktus, der anhalten sollte. Nicht nur im folgenden Choral (»Halleluja! gelobt sei Gott!«) hielt er an, auch das Rezitativ von Tenor und Baß strahlte inhaltlich (»Der Himmel steht ihm offen«) wie im musikalischen Ausdruck. Im Schlußchor (»Lobet den Herrn«) wurde dies sogar noch gesteigert – Telemann-Kantaten sollte man vielleicht öfter (wieder)entdecken.
Oder auch die Musik von Andreas Hammerschmidt, der uns in dieser Weihnachtszeit bereits einige wertvolle Momente beschert hatte. Zunächst durfte der »Morgenstern« aber noch einmal aus dem Gesangbuch leuchten, wobei die sechste Strophe (»Zwingt die Saiten in Cythara«) im Satz von Johann Sebastian Bach nicht nur Holger Gehring dazu verleitet hatte, den Zimbelstern zuzuschalten, sondern manche Sänger den Anregungen und Ausschweifungen (oder Freudenrufen) in Bachs Notation zu folgen.

Andreas Hammerschmidts Magnificat-Motette »Meine Seele Gott erhebet« unterstrich noch einmal den festlichen, wie ebenso fröhlichen Charakter dieser Vesper. Angemessen nicht nur im Hinblick auf den Feiertag, sondern auch als Vorbereitung für das junge Jahr mit all seinen Aufgaben, Herausforderungen – und Krisen? Alles zu prüfen und das Gute zu behalten (oder zu bewahren) ist sicherlich in jeder Hinsicht und Auslegungsmöglichkeit ein Maßstab, den man hinzuziehen darf …
Ein strahlendes »Ehre sei Gott in der Höhe«, noch einmal aus dem »Messias«, bildete den Abschluß der Vesper.
6. Januar 2025, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Sonnabend schließt der Kreuzchor mit den Kantaten vier bis sechs die Aufführungen des Weihnachtsoratoriums ab.
* Fußnote: Da treffen wir im Original einen »alten Bekannten«: »thou« ist heute im englischen Sprachgebrauch nahezu getilgt, existiert nur noch in alten Texten oder im Gebet. Merke: »thou« heißt »Du«! Wenn Engländer heute immer »you« sagen, duzen sie also nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, sie siezen einander!