Dresdner Kreuzchor mit den Kantaten 4 bis 6 aus Bachs Weihnachtsoratorium
Am Sonnabend schloß der Dresdner Kreuzchor, wiederum in der Woche nach dem Epiphaniastag, seine Aufführung von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium mit den Kantaten 4 bis 6 ab. Das jedes Jahr im Grunde gleich wiederkehrende Ereignis erlaubt interessante Vergleiche, etwa in bezug auf die Solisten, doch sind auch darüber hinaus Unterschiede auszumachen, die teils einer Entwicklung folgen mögen, teils vielleicht einem spontanen, temporären Reflex entsprechen, der im und mit dem Kreuzchor im Laufe der Proben entsteht – und manches mag in der subjektiven Wahrnehmung begründet liegen. So schienen die Kantaten vier und fünf diesmal milder zu leuchten, was wiederum Strahlkraft und Aussage der sechsten betonte.
Trotz des im Vergleich zu Festgestus von »Jauchzet, frohlocket!« im Dezember deutlich sanfteren Beginns fühlte man sich am Sonnabend sogleich wieder »mittendrin« in der Erzählung, gefangengenommen von Bachs Musik – der Kreuzchor hatte den Anschluß sofort wieder hergestellt. Nachdem das Weihnachtswunder, die Geburt Jesu, bereits geschehen und im Verlauf dargestellt war, verbreiteten Benedikt Kristjánsson (Evangelist) und Baß Tobias Berndt die süße Botschaft mit leiser Freude, bevor mit der Echo-Arie ein erster Höhepunkt erklommen wurde. Im Orchester sorgten Undine Röhner-Stolle und Guido Titze (Oboen) für den instrumentalen Teil, Kruzianer Simeon Anwand übernahm wie im letzten Jahr das Echo (natürlich von der Chorempore). Diesmal gelang die Arie noch feiner als 2024, was nur zum Teil an Sopran-Solistin Rinnat Moriah lag, sondern am Orchester, den Oboen und dem Sopran-Echo, das noch ein wenig wohlgesetzter und gedehnter schien – verweilen, sich der Situation bewußt werden?
Die Vermittlung eines Textes ist wesentlich, nicht nur bei diesem Werk. Das galt vor allem für Benedikt Kristjánsson, der neben seiner Evangelistenrolle auch die Arie »Ich will nur dir zu Ehren leben« mit genau dem – Leben – auszufüllen wußte. Von Eva Dollfuß und Markus Gundermann begleitet, fügte er der tremolierenden Erregung die Passion, die Leidenschaft hinzu, blieb dabei aber wunderbar verständlich.
Die Akzente des Kreuzchores setzte Kreuzkantor Martin Lehmann bewußt, kehrte den festlichen Charakter des Schlußchorals in Kantate vier vor allem instrumental heraus, um im folgenden »Ehre sei dir, Gott, gesungen« (Beginn Kantate fünf) die Lebhaftigkeit in den Chor selbst zu legen, wiederum aber noch im milderen Schein. Selbst zwischen einzelnen Zeilen nutzte Martin Lehmann den Gestaltungsraum, um durch Kontrastierungsmittel wie Dämpfung und Forcierung für Spannung zu sorgen (»Dein Glanz all Finsternis verzehrt«, ebenso »Zwar ist solche Herzensstube«). Späterer Höhepunkt war – zu erwarten, und doch keine bloße Wiederholung – »Ich steh‘ an deiner Krippen hier« in der letzten Kantate, bei dem der Text a cappella und durch differenzierte Pausentrennung hervorgehoben wurde.
Den fünfte Teil prägte Susanne Langner mit melodisch reichen Rezitativen, teils eng gefaßt mit dem Chor (»Wo ist der neugeborne König der Jüden?«), wobei die Altistin ähnlich wie Benedikt Kristjánsson über eine lichte Höhe verfügte, die den hellen, freudigen Charakter der Musik unterstrich. In der Arie »Ach, wenn wird die Zeit erscheinen« von Sopran, Alt und Tenor war ihre herausgestellte und relativierende bzw. versichernde Funktion (»Schweigt, er ist schon wirklich hier«) noch in der Position zwischen den beiden anderen Solisten und im Rücken von Martin Lehmann verankert.
Mit dem »Herr, wenn die stolzen Feinden schnauben«, nun ohne jede Milde, sondern mit zuversichtlicher Freude, unterstrich der Kreuzchor seine Führungsrolle im Weihnachtsoratorium. Tobias Berndt und Rinnat Moriah zeigten deutlich die Falschheit von Herodes‘ Aussage, das Kind anbeten zu wollen – Bach hatte dies mit Melisma ins Wanken gebracht und das Falsche die Tonleiter herunterfallen lassen. Trotzdem verließen sich beide nicht auf solche Formeln oder Affektmittel, sondern blieben in der Gestaltung leidenschaftlich.
12. Januar 2025, Wolfram Quellmalz
Abschließend blieb dem Kreuzchor mit »Nun seid ihr wohl gerochen« ein echtes Finale – möge seine Zuversicht lange anhalten!
