Eines von vielen Konzerten der Moritzburg Festival Akademie
Da staunt man jedes Jahr: binnen weniger Tage finden sich die Teilnehmer der Moritzburg Festival Akademie (MBA) zu kleineren Formationen, aber auch zu einem Festivalorchester zusammen. Dabei treten sie nicht nur im Rahmen des Moritzburg Festivals (MBF) auf, wie zum Picknick in Proschwitz am vergangenen Sonntag oder zum großen Orchesterkonzert »Landpartie« im Dresdner Kulturpalast am Sonnabend, sie sind darüber hinaus beim Lausitz Festival und im König Albert Theater Bad Elster (übermorgen) zu erleben.
Zwischen 750 und 800 Akademisten, schätzt Festivalleiter Jan Vogler, habe man in den letzten zwanzig Jahren erlebt, manche von ihnen sind weit gekommen, gehören heute als Konzertmeister zu den Berliner Philharmonikern oder leiten selbst ein Konservatorium. Gestern kamen 33 der 36 diesjährigen Akademisten auf die Bühne – nur die Trompeten und Pauken fehlten, sie sind in den Orchesterkonzerten zu erleben. MBF und MBA zeigten sich erneut international – von Australien, Israel und Polen bis Albanien, USA und Taiwan standen alle möglichen Länder als Herkunft im Programm. Die Teilnehmerin der Dresdner Musikhochschule, Soomin Bae, kam übrigens aus Südkorea. Sie war vor der Pause in einem Streichoktett zu erleben.
Mit Richard Hofmanns Quartett für vier Violinen gab es zunächst eine jener Entdeckungen und Eigentümlichkeiten, die man im Konzert fast nie, dafür aber an Hochschulen und in Akademien serviert bekommt. Hofmann war selbst Violinlehrer und schrieb das muntere Stück vermutlich für seine Schüler oder Studenten. Younghun Kim, Cecilia Novella Genovés, Nehuel Aguirre Rouzic und Niobe Langmaack nahmen es mit Vergnügen, verbanden die Kantabilität der Violinen mit virtuosen Übungen, die der Komponist eingebaut hatte.

Einen kleinen Vorgeschmack auf das Orchesterkonzert gab es mit einem arrangierten Satz aus Ludwig van Beethovens erster Sinfonie. Die zeitgenössische Bearbeitung (ursprünglich zehn Holzbläser und ein Kontrabaß) stammte von Georg Schmitt, der das Stück wohl für sein Pariser Publikum umgeschrieben hatte. Hier übernahmen Cliodhna Scott und Annemarie Knauer (Flöten), Antonia Greifenstein und Kai-Wen Chuang (Oboen), Yvonne Wang und Ioana Tomescu (Klarinetten), Adam Rechav und Selin Akin (Fagotte) sowie Tanya Starykh und Sofia Tereso Faria (Hörner) die Bläserstimmen, zwischen die sich Joonho Moon (Kontrabaß) für den Ausschnitt des Adagio molto – Allegro con brio gesellt hatte.
Waren zunächst noch manche Eigentümlichkeiten und Ungewöhnlichkeiten der Werke ins Ohr gefallen, stellte sich mit dem Streichoktett D-Dur von Reinhold Moritzewitsch Glière schnell ein harmonischer Wohlklang ein. Eleanor Markey, Soomin Bae, Josephine Kim und Katarzyna Górna (Violinen), Soohyurn Lee und Martina Bonaldo (Violen) sowie Brandon Leonard und Ailen Klosko (Violoncelli) zeigten nicht nur, daß das Werk ganz andersgeartet ist als zum Beispiel Mendelssohns Opus 20, das traditionelle Abschlußstück des MBF, das eher einem Doppelquartett gleicht, sie überzeugten gerade mit der tragfähigen Stimmung des Allegro moderato, an das sich das Allegro des zweiten Satzes zwar zunächst entspannt anschloß (ein wenig wie »die Ankunft auf dem Lande«), aber bald eine erstaunliche Emphase entwickelte.
Wie so oft war das spielerische Niveau erstaunlich, aber ebensooft spürt man, wenn die Musik vorbei ist, noch die Unbedarftheit der Jugend. Manchmal auch bevor die Musik beginnt – die Moderationen vor jedem der Stücke waren ein wenig leicht und unterhaltsam.
Doch was letztlich wog, war die Musik. Und die brachte nach der Pause eine wunderbare Überraschung, wenn nicht zwei. Zunächst rutschten sechs der 44 Duos für Violinen von Béla Bartók (SZ98) ins Programm, mit denen Natalia Kalinowska und Yuxuan Andrew Wang einen wirklich brillanten Eindruck hinterließen, da sie ebenso virtuos wie volkstümlich gesanglich spielten und perfekt aufeinander abgestimmt waren.
So ähnlich – wenn auch ganz anders – ging es weiter. Was Richard Strauss bei einem Kammermusikfest zu suchen habe, könnte mancher meinen, doch die Fassung der »Metamorphosen« für Streichsextett und Kontrabaß »paßt« sehr wohl, vor allem, wenn sie derart überzeugend vorgetragen wird. Denn wo die großen Besetzungen zuvor noch spürbar nicht ganz die Homogenität eines erfahrenen Orchesters erreicht hatten – hier war sie verblüffenderweise erreicht! Redio Stoli und Jonah Kartman (Violinen), Malte Buschenlange und Elene Gogodze (Violen), Henriette-Luise Knauer und Brandon Leonard (Violoncelli) sowie Mikiyasu Furumiya (Kontrabaß) brachten einen Klang auf die Bühne der Schloßterrasse, der einzigartig dunkel und üppig war. Aus ihm heraus drangen einzelne Soli (Elene Gogodze, Jonah Kartman), die menschlichen, flehenden Stimmen zu entsprechen schienen – großartig!
Mit Louis Spohrs Oktett E-Dur Opus 32 für Klarinette (Ioana Tomescu), zwei Hörner (Sofia Tereso Faria und Tanya Starykh), Streichquartett (Yuxuan Andrew Wang, Martina Bonaldo, Claudia Cañaveras Martínez und Cseperke Donáczi) und Kontrabaß (Mikiyasu Furumiya) gab es für manche Akademisten einen zweiten Auftritt. Das launige Stück – Spohr hat gern mit großen Besetzungen oder in einem Konzert für Streichquartett und Orchester experimentiert – begann mit einem satten Mozart-Akkord und wandelte durch die Zeiten. Denn der Komponist (der Paganini erlebt und bewundert hat) stand nicht nur selbst für klassische Virtuosität und Romantik, er bezog auch frühere Zeiten mit ein, wie durch ein Händel-Zitat im dritten Satz. So bot das Oktett zwischen stimmungsvoller Wald-Romantik (Menuetto) und munterem Ausklang einen kleinen Querschnitt der Musikgeschichte.
19. August 2025, Wolfram Quellmalz