Bachs Große Messe in h-Moll in der Martin-Luther-Kirche Dresden
Zum Konzert am Buß- und Bettag hatte sich der Dresdner Bachchor wieder etwas Großes vorgenommen, und das, obwohl in wenigen Wochen mit den Konzerten der Weihnachtszeit kaum weniger große Projekte unmittelbar folgen: Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe stand auf dem Programm, Kantorin Elke Voigt konnte sich auf die bewährte Unterstützung der sinfonietta dresden verlassen. Auch unter den Solisten waren vertraute Namen: Tenor Oliver Kaden, Baß Clemens Heidrich und vor allem Altistin Julia Böhme haben die Konzerte des Bachchores schon oft unterstützt und bereichert. Neu dabei war Christina Germolus (Sopran).
Für einen Laienchor sind solche Werke wie Bachs Meisterstück nicht allein wegen des Umfangs eine Herausforderung, auch hinsichtlich Dynamik, Mehrstimmigkeit, Stimmverteilung, wenn sich Soprane, Tenöre oder gar alle noch einmal teilen, stehen die Sänger vor enormen Aufgaben. Die Spannung über den Abend zu halten ist dabei ebenso wichtig wie eine ausgewogene Darstellung. Leicht treten die Soprane nicht nur markant, sondern scharf hervor. Doch der Dresdner Bachchor hatte sich entsprechend gerüstet, wie schon das Kyrie zeigte. Es steht für eine Unmittelbarkeit, die noch viel größer ist als beim Weihnachtsoratorium, weil die Zuhörer in der h-Moll-Messe am Beginn ohne instrumentale Einleitung »angerufen« werden. Das gelang mit einem ausgesprochen tragfähigen Klang und gerade der Betonung, die in den Sopranen liegt, außerordentlich berührend. Elke Voigt wußte diese Spannung auch zu halten. So wurden einige Chorpassagen zu ausgesprochenen Höhepunkten, wie im Chi tollis, das sich in der Intensität steigerte, oder im wunderbar festlichen Sanctus. Während das letztere für die strahlenden Chorfarben und expressive Ausdruckskraft stand, waren viele Verläufe, ebenso wie Übergänge zwischen Soli und Chorpassagen und umgekehrt, vom Fluß und Steigerungen oder Beruhigungen getragen.

Die sinfonietta dresden war erneut ein sicherer Mitgestalter, der mit sanften Streichern ebenso tragen konnte wie mit Blechbläsern und Pauken »ausmalen«. Dabei ist die Orchesterbesetzung der h-Moll-Messe höchst unterschiedlich, vertraut einmalig auf das Horn, unterstützt die Sänger mehrfach mit Oboen, die dann in kantable Rollen schlüpen. Immer wieder fiel die schöne Flöte auf – Olaf Georgi hatte eine Querflöte aus Holz ausgewählt, deren Klang etwas geschmeidiger ist, die aber dennoch in den Soli deutlich hervortrat.
Daß Julia Böhme erneut begeisterte, einmal als »Sopran im Alt«, als sie im Christe eleison mit Christina Germolus Sopran verschmolz, wunderte natürlich nicht. Fast erwartungsgemäß war das warm timbrierte Agnus dei mit seiner Kernbotschaft kurz vor dem Schluß ein Höhepunkt. Christina Germolus hatte sich ausgesprochen gut ins Quartett gefunden, so daß sie mit ihrer angenehm dunklen Stimme Soli (Laudamus te) ebenso darstellen konnte, wie sich eine Ausgewogenheit unter den Solisten zeigte. Oliver Kaden, der selbst hauptberuflicher Chorsänger ist und sozusagen beide Seiten kennt, erwies sich wieder einmal als nicht nur klar verständlich, sondern als sicherer, geschmackvoller und dramaturgisch gewissenhafter Gestalter mit geradezu edlem Tenor (Benedictus).
Ähnliches läßt sich von Clemens Heidrich sagen, der ohnehin keine Mühe mit der Durchsetzungsfähigkeit seiner Stimme hat. Seine oft von Blechbläsern und Pauken begleiteten Soli waren an sich schon »Leuchtpunkte«, mehrfach verwob sich gerade seine Rolle im Wechsel mit dem Chor wie im Quoniam tu oder Et resurrexit. Der erste Fall stand für eines der Beispiele von Steigerungen, die wirkungsvoll auf ein Ziel zusteuerten, hier das »Amen«.
Es gab jedoch ebenso Momente, die zur Ruhe fanden, wie im Crucifixus, das noch mit dem erregten Staccato die Unaufhaltsamkeit der Ereignisse (Kreuzigung) dargestellt hatte. Der Beginn des Sanctus war letztlich wohl der ergreifendste Chor-Moment, der in seiner Unmittelbarkeit an das Kyrie anschloß.
20. November 2025, Wolfram Quellmalz
Nächste Konzerttermine in der Martin-Luther-Kirche: 7. Dezember (Adventsliedersingen), 13. Dezember (Weihnachtsoratorium / Bach), 4. Januar (Weihnachtsoratorium / Saint-Saëns).