Stimmungsvoller Auftakt

Dresdner Frauenkirche begann den Advent mit einem Sonntagskonzert

Natürlich verbinden wir den Advent und Weihnachten mit typischen Klassikern und großen Werken, von »Maria durch ein Dornwald ging« bis zum Weihnachtsoratorium. Manchmal genügen jedoch schlichte Titel, um uns in eine besondere Stimmung zu versetzen. Wenn also eine »Messe« von Franz Schubert angekündigt ist, kann das durchaus ein Magnet sein.

Im 411. Sonntagskonzert präsentierte Frauenkirchenkantor Matthias Grünert mit Ensembles des Hauses Schuberts Messe in G-Dur D 167. Vor dem Hauptwerk standen zwei Bereicherungen aus der Zeit der Empfindsamkeit auf dem Programm, beginnend mit Carl Philipp Emanuel Bach. Der Sohn des Thomaskantors war zu seiner Zeit (und noch zu der des Vaters) der berühmteste Vertreter der Familie, Haydn wie Mozart lobten ihn als Wegweiser und Impulsgeber. Bachs Sinfonie G-Dur (Wq 173) zeugte von einer wohlgestalteten Feinheit, die sich mit besonders hellen Violinen in den Streicherstimmen und einem um das sonore Fagott gruppierten Basso continuo entfaltete. Das ensemble frauenkirche dresden mit Musikern aus beiden großen Dresdner Orchestern führte damit eine lange Tradition fort, die Musik in den Dresdner Innenstadtkirchen zu beleben. Mit Matthias Grünert am Cembalo gefielen besonders die grazilen, sauber dargestellten Ecksätze.

»Ah! vous dirai-je, maman« in dem französischen Kinderbuch »Vieilles Chansons pour les Petits Enfants«, Bildquelle: Wikimedia commons

Danach hieß es für den Frauenkirchenkantor, schnell die Empore zu erklimmen – nicht über einen Aufzug, sondern über Treppenstufen, deren unterste, historische, noch original erhalten sind und von Johann Sebastian Bach 1736 überschritten worden sein müssen. Diesmal wurde ein Werk des »Bückeburger« Bach-Sohnes, Johann Christoph Friedrich Bach geboten: Allegretto con variazioni über»Ah, vous dirai-je, Maman« für Orgel. Die uns als »Morgen kommt der Weihnachtsmann« bekannte Melodie hat freilich einen anderen Ursprung, für den Termin jedoch durfte jeder gern den »Weihnachtsmann« heraushören, auf den auch Frauenkirchenpfarrer Markus Engelhardt in seinem Geistlichen Wort zurückkam. Unabhängig vom Ursprung oder Inhalt erfüllte das Werk den Effekt, die galante Zeit als eine einfallsreiche vorzuführen. Mit dem filigranen Thema beginnend, fast einer Spieluhr gleich, verzweigten sich die Variationen in verschiedenen Charakteren, von aufmüpfig (Nr. 1) über zauberhaft (3), fröhlich-mehrstimmig (5) bis glitzernd (9) oder verträumt (14). Wer mochte, konnte darin den argumentierenden Dialog zwischen Weihnachtsmann und Kind oder Mutter (Maman) und Tochter entdecken.

Markus Engelhardt bezog sich in seinem Geistlichen Wort auf den 1. Advent und die Worte jenes Liedes, das im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 1 eingetragen ist: »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit«. Auf Teile des Textes zu fokussieren, auch oder gerade weil er zu diesem Anlaß (noch) nicht erklang, unterstrich die Stimmung der kleinen Andacht, welche die Sonntagskonzerte in der Frauenkirche erfüllen.

Somit konnte gelingen, was eigentlich Ziel war: nicht nur kontemplatives »Abschalten«, sondern sich in der Ruhe etwas bewußt machen. Franz Schuberts Messe war ein eingeschlossener Teil der Andacht und setzte in der Verfeinerung der Stimmen fort, was zuvor erklungen war. Das von Teresa Suschke (Sopran) sanft vorgetragene Kyrie eleison knüpfte in der Empfindung bei der Generation der Bach-Söhne an und vermied grelle Überhöhung. Was aber nicht an der Komposition allein lag, denn Solisten und Ensembles schienen ebenso aufeinander »eingeschworen«, so daß der Sopran vom umgebenden Chor der Frauenkirche in der Fuge aufgenommen wurde, trotzdem stimmlich führend blieb.

Franz Schubert hatte seine ursprünglich kleiner besetzte Messe später um Pauken und Trompeten ergänzt, die den festlichen Charakter im Gloria unterstrichen, auch wenn der Jubel vergleichsweise verhalten blieb – keine grelle Überhöhung, es blieb dabei. Anderenfalls hätten die eher kurzen Sätze vermutlich auch zu effektlastig gewirkt. Zu Teresa Suschke war Sebastian Richter (Baß) als Duettpartner getreten, wobei Chor und Duett eng verbunden blieben. Das Credo (Chor) folgte verhalten, was aber nicht hinderte, besondere Passagen wie das Crucifixus etiam pro nobis (Kreuzigung) deutlich herauszuheben. Die Erzählung der Auferstehung hatte Schubert mit einer aufsteigenden Melodie nachgezeichnet.

Mit dem Sanctus und dem kräftigen, lebendigen Tenor von Samir Bouadjadja gewannen die freudigen Farben an Kraft und Bedeutung, unterstrichen vom mehrfachen »Hosianna« des Chores. Zwar hat Franz Schubert seine Messe G-Dur nicht für den Advent geschrieben hat. Dennoch paßte ihr Charakter (sie entstand in der Fastenzeit vor Ostern 1815) zum Beginn des Advent (der ja auch mal eine Fastenzeit war). So schloß das Agnus Dei, die das Kyrie begonnen hatte – sanft.

1. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz

Die Frauenkirche Dresden bietet in der Advents- und Weihnachtszeit viel Musik, auch einen klingenden Adventskalender.

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