Aufbruch ins Beethoven-Jahr

Christian Thielemanns triumphale Rückkehr

Nach seinem runden Geburtstag im April und den Bayreuther Festspielen hatte sich der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden diesmal eine lange Auszeit gegönnt. Zu lang, wie viele fanden, denn sowohl der Spielzeitauftakt wie auch wichtige Opernproduktionen (»Der Rosenkavalier«) wären doch eigentlich Chefsache gewesen. Seit dem fünften Sinfoniekonzert herrschen nun wieder »klare Verhältnisse«. Am (vermutlichen) Vorabend des Geburtstages von Ludwig van Beethoven (es ist nur das Taufdatum des Komponisten am 17. Dezember nachgewiesen) begann Christian Thielemann das Beethoven-Jahr mit den Sinfonien 1, 2 und 3.

Etwas über zweieinhalb Stunden dauert der Marathon (heute und morgen noch einmal), es waren über zweieinhalb Stunden Energieentladung und Inspiration! Sie zeigen aber auch einen Weg auf, von jemandem, der mit den Formen spielte, sie streckte, veränderte, erweiterte. Noch war Beethoven ein Evolutionär – spätestens mit der dritten Sinfonie jedoch sprengte er die »Ketten«.

Bereits das Adagio molto – Allegro con brio der ersten Sinfonie ist ein Aufbruch, der nicht nur beschaulich daherkam – Christian Thielemann ließ ihn aus Kontrasten entstehen, sich reiben. Im Echo der Holzbläser auf die Streicher lag gleichermaßen Neckerei wie Antrieb. Die Staatskapelle blieb sich als »Originalklangensemble« der eigenen Art treu – es ist der ureigene, gepflegte und entwickelte Klang (und kein Bewahren eines Stillstandes), den Thielemann so luzide nutzt, all die Finessen Beethovens aufleuchten zu lassen. Im Andante cantabile con moto offenbart er ein Sonnenaufgangsmenuett, während das Allegro molto e vivace – nun wirklich ein Menuett – den Saal mit Furor erobert – an Tanz dachte da wohl kaum jemand. Im Finale setzte sich das fort: mit dem Feuer des Allegro hätte man eine Kavallerie befeuern können!

Zwar kann Beethoven durchaus poltern und toben, doch Christian Thielemann hält nicht viel vom Rausch – immer wieder nahm er die Staatskapelle zurück, ließ sie leiser spielen, stimmte ab und verfeinerte. Gerade das gehört zur Authentizität: während im allgemeinen ein Konzert ja während der Proben erarbeitet und während der Aufführung abgerufen wird, arbeitet Christian Thielemann gern mit dem Impuls des Momentes.

Nachdem die erste Sinfonie noch heraufgedämmert war, stand die zweite sofort im Zeichen eines fröhlichen Aufbruchs. Da brauste es ordentlich – und bedurfte der Beruhigung durch das pastorale Idyll des Larghetto.

Mit der dritten Sinfonie, wurde nach der Pause unmißverständlich klar, hatte Ludwig van Beethoven hier eine neue Stufe erreicht. Kompakt und zackig strich Christian Thielemann diese Unmißverständlichkeit heraus, durchforschte die Partitur aber noch in den Grautönen nach feinsten Nuancen. Den Trauermarsch des zweiten Satzes ging er bedächtig an, was den Vorhang-auf-Moment darin noch betonte. Forsch ging es zu in dieser Sinfonie, da konnten Blechbläser und Pauken auftrumpfen und glänzen – wunderbar!

Diesmal beschränkte sich die Sächsische Staatskapelle auf wenige Gäste, Akademisten oder Substitute waren nicht mit dabei. Unter den Gästen fiel der Dresdner Friedrich Thiele auf, einer der erfolgreichsten deutschen Nachwuchscellisten, der am zweiten Pult neben Konzertmeister Norbert Anger platzgenommen hatte, sowie Johannes Pfeiffer als »Aushilfe« von der Philharmonie, der eine traumwandlerisch klar singende Oboe spielte. Betörend gerieten die Variationen zum Abschluß des langen Vormittages.

16. Dezember 2019, Wolfram Quellmalz

Heute und morgen noch einmal: Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann (Leitung), Ludwig van Beethoven: Sinfonien Nr. 1, 2 und 3

Am 17. Dezember wird das Konzert von mdr kultur und MDR Klassik übertragen.

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