Dresdner Kammerchor setzt zum Weihnachtskonzert auf unbekannte Werke
Der Dresdner Kammerchor setzt weiter auf den Jahreslauf und seine Gedenk- und Festzeiten. Nach »Klage« im November hieß es nun »Jubel« auf den Konzertplakaten und Programmheften – ein Jubel, der die Weihnachtsbotschaft verkünden soll. Hans-Christoph Rademann und sein Chor fanden dafür unterschiedliche Grade und ein exklusives Programm – manche Werke konnte man zum ersten Mal hören, die Zusammenstellung war ebenso einzigartig. Mit Christoph Bernhard, Sebastian Knüpfer und Johann Schelle gab es gleich drei Komponisten mit besonders hohem Entdeckerpotential. Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach stellten nicht bloß den Bezug zum Altbekannten (oder zum Kernrepertoir des Chores) her, sondern gaben dem Programm etwas noch Verbindlicheres. So verbindlich wie die Choralsätze, auf welche die Komponisten zurückgegriffen hatten. Johann Schelle zum Beispiel leitete sämtliche Strophen seines Actus Musicus aus dem Luther-Lied »Vom Himmel hoch« ab.
Von Heinrich Schütz aber kann der Kammerchor auch nach dem Abschluß seiner Gesamtaufnahme in diesem Jahr nicht lassen (das wäre, als bäte man jemanden, das Atmen einzustellen). Mit einem seiner Magnificat-Vertonungen (SWV 468) begann das Konzert am Freitagabend in der Dresdner Annenkirche. Georg Poplutz war hierin der Verkünder – wie schon oft verband der Tenor in seiner Rolle den Erzähler des Evangeliums und den emphatisch Beteiligten oder Teilnehmenden und setzte schon bei Schütz‘ »in saecula« (in Ewigkeit) auf jubelunterstützende Lichtakzente.
Ebenso bemerkenswert war Maria Stosiek, Mitglied des Kammerchores und Solistin. »Offiziell« als zweite Sopranistin, wies sie das Programmheft als Mezzo aus, doch im Chor gehört sie in die Alt-Gruppe. Erstaunlich ist, wie sie diese Spannweite mit tragfähiger, anschmiegsamer Stimme ohne Qualitätsverluste oder erkennbare Änderung im Stimmcharakter auszufüllen weiß. So trug sie noch die tieferen Lagen in Sebastian Knüpfers Kyrie cum Gloria mit sicherem, reichem Timbre.
Mit Gerlinde Sämann (Sopran 1), Stefan Kunath (Altus), Tobias Mäthger (als flink zwischen Chor und Solo wechselndem Tenor 2) sowie Felix Schwandtke (Baß) konnte Hans-Christoph Rademann das Solistenensemble bis zum Sextett anwachsen lassen. Spannend war es, wie er sie mit dem Chor und dem um Margret Baumgartl gruppierten Orchester ausbalancierte, Akzente zwischen Solisten und Chor (oft als Wiederholung / Bestätigung) herausarbeitete und einen fließenden, wogenden Erzählfluß der verschiedenen Weihnachtshistorien wahrte.
Christoph Bernhard, ein Schütz-Schüler, vermittelt die Freude in seiner Kantate »Herr, nun lassest Du Deinen Diener« ganz ungewöhnlich allein durch zwei Duette und eine Arie, die von einer wiederholten Chorstrophe gerahmt werden und durchschreitet auf dieser kurzen Strecke den Weg vom Trost zum Jubel.
Am »vollständigsten« (nach unseren Gewohnheiten) war sicherlich Johann Schelles »Actus Musicus auf Weyh-Nachten«, bei dem Instrumentarium und im als Bogen aufgestellter Chor sozusagen die höchste »Ausbaustufe« erreicht hatten, was nach Bachs betörendem, aber knappem Sanctus (BWV 238) zur höchsten Lebendigkeit der Fugen führte. Die Exaktheit und Homogenität, die der Dresdner Kammerchor dabei erreicht, ist immer wieder verblüffend.
So wollte das Publikum den Jubel noch nicht recht beendet wissen und forderte mehr. Mit dem Schluß aus Heinrich Schütz‘ Weihnachtshistorie war für den Abend ein Ende gefunden. Doch spätestens im Februar geht es weiter.
14. Dezember 2019, Wolfram Quellmalz
Nächstes Konzert des Dresdner Kammerchores bei uns: 16. Februar 2020, 18:00 Uhr, Kulturpalast, Johann Sebastian Bach: Magnificat, Jan Dismas Zelenka: Te Deum a due cori