Persiflage, Camouflage, Variation

Landesjugendorchester Sachsen wieder aktiv(st)

Am Sonntag meldete sich zur Matinéestunde das Landesjugendorchester Sachsen eindrucksvoll und mit einem vielfältigen Programm im Konzertleben zurück. Nach Auftritten im Gewandhaus zu Leipzig und der St.-Markurkirche Chemnitz in den Tagen zuvor kehrte es in den Dresdner Kulturpalast ein. Zum Teil mag die Programmvielfalt pragmatisch gewesen sein – mit der Auswahl verschiedener Formen (kleines Sinfonieorchester, reine Bläser- und Streicherorchester) war eine bestmögliche Beteiligung aller ebenso gewährleistet wie den Pandemiebedingungen Rechnung getragen wurde.

Seit diesem Jahr hat das LJO einen neuen Leiter – der Schweizer Tobias Engeli hat bereits mit Orchestern wie dem des Gewandhauses, der Elbland Philharmonie Sachsen oder der Sächsischen Bläserphilharmonie zusammen gearbeitet.

Viele der am Sonntag erklungen Werke ließen – versteckt oder offensichtlich – Bezüge und Rückgriffe erkennen. Mit Franz Schuberts Overtüre zu »Der häusliche Krieg« begannen die Schülerinnen und Schüler zunächst im sinfonischen Format. Im einzigen Werk, das alle Instrumentengruppen vereinigte, ging es lebhaft und heiter zu – so schlimm kann der »häusliche Krieg« nicht gewesen sein (das Singspiel war wohl eine wienerisch-lustvolle Variante des »Klytämnestra«-Stoffes)!

Für die nächsten Stücke gab es einen umfangreichen Umbau bzw. eine große Umstellung, denn nun war ein wirklich großes Bläserorchester gefragt. Tobias Engeli hatte, um die ohnehin gegebenen Kontraste des Programms noch zu betonen, kurzfristig eine Änderung vorgenommen und fügte zwei der »12 marches héroiques« von Georg Philipp Telemann zwischen »Drei lustige Märsche für Blasorchester« von Ernst Krenek – musikdramaturgisch ein unglücklicher Kniff, denn – unabhängig von der Entstehungszeit – schrieb Telemann regel(ge)rechte, für passende Anlässe gedachte Musik, während Krenek in einer launigen Persiflage für Unterhaltung sorgte und Klassiker wie den Radetzkymarsch ein wenig durch den Kakao zog. Musikantisch ergötzlich war es, nur ging die Verknappung zuungunsten ernsthafter Telemann-Betrachtungen (die es auch wertgewesen wären).

Imitation und Persiflage schien auch in Igor Strawinskys Konzert für Klavier und Blasinstrumente durchzuschimmern, das gerade im zweiten und dritten Satz an das Klavierkonzert von Maurice Ravel erinnert – das jedoch etwa vier Jahre später entstand. Solist Kilian Scholla wirbelte behend durch den Klavierpart, Tobias Engeli ordnete das Gegenüber der Bläser, das um einiges wohlgefälliger, harmonischer und vielfarbiger ausfiel als in vergleichbaren Stücken (wie Friedrich Guldas Konzert für Violoncello und Blasorchester). Ob sich Kilian Scholla eher von den Werkbezügen oder von der Projektarbeit mit dem Orchester anregen ließ? Er schrieb auf jeden Fall ein Stück für den Anlaß, eine »Kadenz ohne Triller – Eine Strawinsky-Phantasie«, die Ligeti, Schubert, Gershwin und andere einzuschließen schien. Ein tolles, virtuoses Stück, das hoffentlich mit Projektende nicht verklungen ist!

»Unverklingbar« ist George Bizets »Carmen«. Der Repertoireliebling der Oper fand viele Bearbeiter und Arrangeure. Zu den charmantesten und gewitztesten gehört wohl Rodion Schtschedrin, Dresdnern nicht nur durch seine Musik, sondern ebenso als Dirigent und Musiker wohlbekannt. Die Carmen-Suite für Streichorchester und Schlaginstrumente ließ schließlich ganze Opernszenen vor dem inneren Auge entstehen und gab den jungen Musikern Gelegenheit, einen warmen Streicherklang zu entwickeln, der vom romantischen Sehnen bis zum spanisch-feurigen Temperament vieles darstellen konnte. Und: »Austausch« heißt manchmal, sich die Instrumente zu teilen. Die fünf Schlagwerker hatten viel zu tun, da wechselte sogar die große Trommel vom einen zum anderen.

25. Oktober 2021, Wolfram Quellmalz

Das nächste Projekt des LJO, es wird das 61. sein, ist schon in Planung. Am Jahresende beginnen die Probespiele, im April gibt es die Konzerte, auch in Dresden.

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