Romantisches Weihnachtsoratorium in der Dresdner Frauenkirche

»Französische Weihnachten« in der Sonntagsmusik

So »französisch« war die Sonntagsmusik am Zweiten Weihnachtstag gestern in der Dresdner Frauenkirche gar nicht, zumindest nicht allein französisch. Denn der Nachmittag begann italienisch, mit Felix Mendelssohn und Johann Sebastian Bach, von dem zwar kein Werk erklang, auf den sich Camille Saint-Saëns aber explizit bezog, gab es auch deutsche Anklänge. Und englische – Mendelssohn hatte mehrere Konzertreisen auf die Insel unternommen und wurde dort als Komponist und Organist respektiert und verehrt. Mit »Gott sei Dank durch alle Welt« erklang zum Schluß ein Adventslied von Heinrich Held, der sich auf den Ambrosianischen Hymnus bezieht, im musikalischen Kleid eines englischen Weihnachtsliedes: »Hark! The herald angels aing«, dessen Melodie (ursprünglich allerdings für das Gutenbergfest gedacht) Felix Mendelssohn schrieb.

Photo: Frauenkirche Dresden, © Steffen Füssel

Zunächst sorgte das ensemble frauenkirche dresden allein instrumental für weihnachtlichen Zauber. Arcangelo Corellis Concerto »Fatto per la notte di natale« (Weihnachtskonzert) gehört zu gut einer Handvoll solcher Werke, welche im Barock die italienische Hirtentradition aufgriffen. Entsprechend wechselte das Werk in den Sätzen zwischen festlichen Prunk und pastoralem Wiegen. Neben den exzellenten Streichern sorgte ein schlanker, tonschöner Basso continuo für eine sichere musikalische Basis.

Wer jetzt noch nicht zur Ruhe gekommen war, der durfte sich von Romy Petrick und Martin Luthers »Vom Himmel hoch« anrühren lassen. Ein so engelhafter Sopran kann auf Begleitung leicht verzichten, und aus der Kuppel gesungen senkte sich die Botschaft um so eindrucksvoller herab.

Weihnachtserzählungen gibt es in der Musik gar viele, Johann Sebastian Bach schrieb die heute bekannteste, aber bei weitem nicht einzige Fassung. Neben ihm sind vor allem Heinrich Schütz‘ Weihnachtshistorie sowie das Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns die am häufigsten gespielten Werke. Saint-Saëns‘ Opus 12 greift dabei nur einen kleinen Teil der Erzählung (aus dem Lukasevangelium) auf und schließt danach vor allem Psalmvertonungen ein.

Frauenkirchenkantor Matthias Grünert hatte neben Romy Petrick, Rahel Haar (Mezzosopran), Annekathrin Laabs (Alt), Alexander Schafft (Tenor) sowie Sebastian Richter (Baß) als Solisten gewonnen, einen wesentlichen Teil übernahm der Chor der Frauenkirche.

Beeindruckend gelang einerseits die Begleitung, die – und das ist typisch französisch – nicht nur romantisch ist, sondern die große Orgel (Mari Fukumoto) sinfonisch mit eischließt. Immer wieder ergaben sich schwebende (aber nicht verharrende) Momente. In den Soli hatte Saint-Saëns die Rollen (auch die des Erzählers) verteilt, einen Evangelisten wie bei Bach gibt es bei ihm also nicht, die Passagen wurden wechselweise vorgetragen. Außer einer Belebung war damit für besondere Klangeindrücke gesorgt, wie im Quartett »Alleluja«, das einerseits mit den drei unterschiedlichen Frauenstimmen für Aufhellung und himmlische Höhen sorgte, gleichzeitig aber mit dem Baß im Gegenüber viel Kontrast besaß. Zu den gelungensten und effektvollsten Passagen gehörte der Chor »Quare fremuerunt gentes et populi« (»Warum toben die Nationen«), dessen Aufruhr von Streichern und Chor ausdrucksstark dargestellt wurde, um sogleich in der zweiten Zeile (»Gloria patri …« / »Ehre sei dem Vater und dem Sohn …«) eine Beruhigung einzuleiten. Ganz klangsinnlich, nun von Harfenarpeggien (Nora Koch) durchwirkt, schloß sich das nachfolgende Trio an.

Mit Felix Mendelssohns »Gott sei Dank …« durfte der Nachmittag dieses Feiertages festlich ausklingen.

27. Dezember 2022, Wolfram Quellmalz

Heute findet in der Frauenkirche die letzte Dresdner Bläserweihnacht unter der Leitung von Ludwig Güttler statt. Der Trompeter und Ensembleleiter hat sich nicht nur um den Wiederaufbau des Hauses verdient gemacht, sondern sich seit dem Tag der Weihe daran beteiligt, dieses Haus auch mit Leben zu füllen. Nun zieht sich der Musiker aus dem aktiven Berufsleben zurück. Am 1. Januar wird er im Rahmen eines Festkonzertes (Händels »Messiah«) verabschiedet.

http://www.frauenkirche-dresden.de

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