Wunder – Kinder?

Singakademie Dresden mit drei Kompositionen (historischer) Wunderkinder

Die Chöre der Singakademie Dresden wenden sich in diesem Jahr in besonderer Weise Kindern zu. Neben Programmen, bei denen Kinder mitmachen können (Schattenspiel zu Engelbert Humperdincks »Dornröschen« am 24. September) gibt es zum Beispiel einen Kinderchor. Am Sonntag wurden in der Dresdner Annenkirche Werke dreier »Wunderkinder« aufgeführt. Gleichzeitig war es die erste Zusammenarbeit mit dem Jugendbarockorchester »Bachs Erben« Michaelstein.

Die Chöre der Singakademie Dresden, Photo: Singakademie Dresden, © Anna S.

Wunderkinder – damals wie heute – zeichnen sich durch eine besondere Begabung aus. Wenn Förderung bzw. Obhut sie zu unterstützen wissen, kann dies ein wahrlich wunderbarer Ausgangspunkt sein. Allerdings gab und gibt es berechtigt kritische Blicke auf den Wunderkindstatus – groß ist die Gefahr, wenn sich die Wunderkarriere nicht fortsetzt, daß der Mensch als Erwachsener noch am frühen Erfolg zerbricht.

Es gibt noch andere Gründe für ein vorzeitiges Ende des Wunderkinddaseins – Johann Ernst IV., Prinz von Sachsen-Weimar, wurde nur 18 Jahre alt. Aus dem Schaffen des früh geförderten erklang das Concerto IV d-Moll für Violine und Orchester, das im Opus 1 überliefert ist. Das phantasievolle Werk ist in der Form an die Kirchensonate angelehnt – auch Wolfgang Amadé Mozart schrieb während eines London-Aufenthaltes frühe Klavierkonzerte nach einer Sonatenvorlage Johann Christian Bachs. Solistin Xenia Lemberski bot eine gefühlvolle Interpretation, welche die Kantabilität der langsamen Sätzen bzw. Intermezzi hervorhob, und fand zu einem anregenden Dialog mit dem Orchester. »Bachs Erben«, von Raphael Alpermann (Akademie für Alte Musik Berlin) als Mentor betreut, sorgten für belebende Frische.

Solche war zu Beginn bereits in einer Sinfonia von Maria Rosa Coccia zu spüren gewesen. Die Komponistin, immerhin in den Rang einer Maestra Compositora und Maestra di Capella romana erhoben, gelang es, ihrer Wunderkindkarriere eine entsprechende Laufbahn als Komponistin anzuschließen. Daß wir sie heute wiederentdecken dürfen, soll nicht vorschnell darauf schließen lassen, sie wäre zu Lebzeiten nicht anerkannt gewesen.

Ihr kleines Werk indes ist ein wenig kurios, der zweite Satz bzw. Mittelteil wirkte etwas fremd, als stammte er aus einem anderen Stück. Die Entdeckerfreude von Orchester und Publikum bremste dies allerdings nicht.

Mozart war ein Wunderkind wie seine Schwester. Daß er aus diesem Status direkt in den eines virtuosen Meisters und Compositeurs wechseln konnte, läßt mitunter vergessen, wie jung auch Mozart starb – ein Alterswerk gibt es von ihm nicht.

Nachdem »Bachs Erben« bisher vom Cembalo bzw. der Konzertmeisterin geleitet wurden, übernahm für Wolfgang Amadé Mozarts »Waisenhausmesse« (KV 139) Michael Käppler die Leitung. Das Werk überraschte mit einer reichen Ausgestaltung, die bereits das Kyrie über die gewohnte Form hebt. Vermutlich entstand die Missa 1768 / 69 – da war der Komponist gerade einmal dreizehn Jahre alt! Dennoch zeigt er sich darin nicht nur erfindungsreich, sondern wußte bereits effektvoll Akzente zu setzen.

Kammerchor und Jugendkammerchor der Singakademie Dresden, Solisten (Anna Dribas / Sopran, Johanna Bohrig / Alt, Samir Bouadjadja / Tenor, Constantin Haufe / Baß) und das Orchester sorgten für eine fast üppige, emotionale Gestaltung. Zwar traten gerade Sopran und Tenor besonders strahlend hervor, viele Passagen waren jedoch im Trio oder Quartett angelegt – eine Vielfarbigkeit, die sich im Orchester bis in die Bläser fortsetzte. Der abschließende Friedenswunsch klang ausgesprochen froh!

24. April 2023, Wolfram Quellmalz

Nächstes Konzert der Singakademie Dresden (Großer Chor): Joseph Haydn »Die Schöpfung«, 14. Mai, Christuskirche Dresden.

http://www.singakademie-dresden.de

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