Üppige Energie

Friedemann Johannes Wieland beim Dresdner Orgelsommer

Das Programm sommerlicher Orgelkonzerte kann gerne einmal »lockerer« sein oder Lieblingsstücke des Publikums aufnehmen, als dies in sonstigen Konzerten oder gar Vespern möglich wäre – oft orientieren sich selbst Orgelabende im Jahr am Kirchenkalender oder folgen einem bestimmten Thema. Friedemann Johannes Wieland (Ulmer Münster) hatte gleich vier berühmte Stücke in sein Programm genommen und begann den Sonnabendnachmittag mit Georg Friedrich Händels »Zadok the Priest«. Das leider auch fürs Fernsehen fremdverwendete (oder mißbrauchte) Stück ist eigentlich ein Coronation Anthem (Krönungshymne) für Chor. Geschrieben zur Inthronisierung Georg II. 1727, dient sie heute »König Fußball« …

Georg II. im Krönungsornat, Portrait von Charles Jervas (1675 bis 1739), Beningbrough Hall, Bildquelle: Wikimedia commons

Auf die Orgel übertragen zog Friedemann Johannes Wieland buchstäblich alle Register incl. der Taste für den Zimbelstern. Nachdem schon der Beginn wellenartig wogte, erklang der (eigentliche) Part des Chores geradezu feurig – wie wollte sich Friedemann Johannes Wieland im Programm da noch steigern? Wäre César Francks Choral als Einstieg nicht besser gewesen denn als Abschluß?

Zunächst blieb das dramaturgische wie theatralische Niveau hoch. Die Passacaglia et Fuga in c (BWV 582) von Johann Sebastian Bachs dröhnte allerdings ein wenig über dem mächtigen Baß (was an ein Schiffshorn erinnerte), Üppigkeit und Energie waren dabei in ein Gleichmaß gekleidet, dem man mehr Freiheit gewünscht hätte. Aber vielleicht täuschte der Eindruck wegen der »Übermächtigkeit der Macht«.

Die war selbst noch bei Felix Mendelssohn zu spüren. Die zweite der sechs Orgelsonaten (c-Moll) fußte auf der gleichen Üppigkeit wie zuvor Händel und Bach, das gesangliche Thema gerade des Adagio arbeitete Friedemann Johannes Wieland sehr präsent heraus – ein wenig schlanker hätte es doch sein dürfen. Nicht nur da, auch dem Allegro maestoso e vivace fehlte die belebende Frische bzw. Leichtigkeit, die aus dem reinen und flotten Allegro ein Vivace macht.

Allerdings soll das nicht heißen, Friedemann Johannes Wielands Spiel sei undifferenziert oder einseitig gewesen. Vielmehr nutzte er wohl die Möglichkeiten der großen Orgel – an seinem Hausinstrument in Ulm verfügt er über 99 klingende Register und 8900 Pfeifen, die sich auf fünf (!) Manuale verteilen, zuzüglich Glockenspiel und Zimbelstern – damit kann man eindrucksvoll tönen!

Um die Eingangsfrage aufzulösen: Nein, César Francks Choral Nr. 3 a-Moll hätte sich wohl nicht als Eingangsstück geeignet, denn es ist ein komplexes Stück, das neben dem (fiktiven) Choral ebenso mit Textur und Struktur spielt (zu Beginn einer Toccata), Momente des Schwebens schafft – der sicherlich beeindruckendste Teil dieses Orgelsommerkonzerts!

6. August 2023, Wolfram Quellmalz

In der kommenden Woche kehrt Kreuzorganist Holger Gehring an sein Instrument zurück.

https://www.kreuzkirche-dresden.de

Eine andere Orgel (ursprünglich Schuster, späterer Umbau durch Eule Orgelbau), etwa 30 km von der Dresdner Kreuzkirche entfernt, ist in der Nacht zusammen mit der barocken Kirche Großröhrsdorf einem Brand zum Opfer gefallen. Zur Seite der Gemeinde mit aktuellen Informationen und einem Spendenaufruf gelangen Sie hier:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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