ZentralVokal III mit dem Dresdner Kammerchor
Hans-Christoph Rademann, Gründer und Leiter des Dresdner Kammerchores, ist derzeit viel mit den Feierlichkeiten zum 300. Jubiläum des Amtsantritts von Johann Sebastian Bach an der Leipziger Thomaskirche beschäftigt und daher mehr bei der Internationalen Bachakademie Stuttgart als in Dresden zu erleben. In vielen Konzerten läßt er sich daher von einem seiner Studenten vertreten, einen Teil seiner Hochschultätigkeit hat er an seinen Kollegen Stefan Parkman übertragen, der auch das nächste Konzert im Rahmen von ZentralVokal leiten wird. Gestern jedoch war Hans-Christoph Rademann für die dritte Ausgabe der neuen a-cappella-Reihe wieder einmal selbst in Dresden vor Ort. Es wurde eines der eindrücklichsten Konzerte überhaupt.
Das »Geben & Nehmen« so der Programmtitel, fand sich selbstredend in Werken und Texten wieder. Dabei war es diesmal eine Spur geschlossener, vollständiger, größer. Am Ende schien es mehr um das Geben zu gehen, auch um das Miteinander – was könnte besser passen für einen Chor?
Daß das Miteinander, das Geben (und Nehmen) unmittelbar mit dem Frieden zusammenhängt, mußte man da gar nicht weiter erklären. So fiel es leicht, sich ganz den Werken hinzugeben, Knut Nystedts »Peace I leave with you« ebenso wie Heinrich Schütz‘ »Tue wohl deinem Knechte« (SWV 483) aus dem »Schwanengesang«. Dieses, von einer Continuo-Orgel (Giljin Kirchhefer) begleitet, wirkte so geschlossen und verinnerlicht, daß es einer Andacht nahekam. Einen ähnlich verblüffenden Eindruck (schließlich ist der Kulturraum des ZentralWerks kein religiöser Ort) hinterließ Johann Eccards knappes, vom Dresdner Kammerchor aber ungemein fokussiert vorgetragenes »Herr Christe tu mir geben«. Man kann gar nicht genug betonen, wie das für den Klangkörper spricht, der sich ja doch immer wieder leicht verändert, verjüngt, aber doch seine Identität behält. In »Es gingen zween Menschen hinauf« (SWV 444) traten mit Carl-Benedikt Schlegel (Baßbariton) und Philipp Rauh (Altus) zwei Solisten auf, jedoch nur im wörtlichen Sinne »hervor«. Musikalisch blieben sie eingeschlossen, zog der Chor eine klare und wunderbare Konturlinie.
Wo Schütz klingt, ist Bach nicht weit (zumindest nicht bei Hans-Christoph Rademann). Zwei kleine Ausschnitte (»Nimm, was dein ist, und gehe hin« sowie »Was Gott tut, das ist wohlgetan« aus der Kantate BWV 144) standen nach der Pause eindrücklich dafür.
Zu den Konzerten von ZentralVokal gehören ebenso gesprochene Texte, die erneut Tom Quaas vortrug. Mit seiner angenehmen Erzählerstimme und Modulation gab er vor allem Franz von Assisis Text »Oh Herre, mache mich zum Werkzeug deines Friedens« eingängig wieder, für »Geben und Nehmen« aus Bibeltexten fehlte ihm jedoch eine Verweildauer, die Pausen, und nicht zuletzt sind solche Passagen herausgerissen und ohne Erklärung oder Herstellung eines Bezuges mitunter fragwürdig. Schon deshalb, weil manche alte Formulierung unseren heutigen Maßstäben (scheinbar) nicht standhält. (Was sich bei näherer Betrachtung in der Regel als falsch erweist.)
Der Dresdner Kammerchor lotet gerne Repertoiregrenzen aus, schließt neues oder fremdes ein. Diesmal war es Thomas Jennefelts »Warning to the rich«, bei dem der Chor zu Beginn und am Ende einen Gospelsound kreierte, sich dazwischen vom Flüstern und Sprechen zum Singen steigerte (und wieder zurück). Maria Preißler (Alt) und Felix Kober (Baß) hatten hier die Solopartien übernommen.
Den Eindruck einer Andacht unterstrichen nicht Verse, die Glaubensbekenntnisse eingeschlossen. Am Ende erklang das Vaterunser in der Fassung von Maurice Duruflé.
Noch die Zugaben des Kammerchores sind immer ausgewählt. Diesmal folgte Hans-Christoph Rademann wohl einem inneren Impuls, als er mit dem Publikum dreistimmig den Kanon Dona nobis pacem (es sei ja auch ein Geben) anstimmte.

ZentalVokal III mit dem Dresdner Kammerchor gestern, Photo: Dresdner Kammerchor, © Joschua Vlasanek
Die nächsten Konzerte des Dresdner Kammerchores finden im Rahmen des Zelenka Festivals mit dem Ensemble Inégal (Leitung: Adam Victora) in Prag und Dresden statt (6. und 7. Oktober). Im November folgt »Fürchte dich nicht« in der Annenkirche, bevor im Dezember ZentralVokal IV (Leitung: Stefan Parkman) auf dem Programm steht.