Aus gutem Grund und Anlaß

Festkonzert mit dem Collegium 1704

Seit 25 Jahren mittlerweile fördert der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds die Zusammenarbeit zweier Länder und ihrer Menschen auf vielen Gebieten. Václav Luks und sein Collegium 1704 haben mit ihrer Musikbrücke Prag – Dresden mehr als die Hälfte dieser Zeit begleitet. Sie stehen aber nicht nur stellvertretend, sondern sind Botschafter für das, was mit und durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds gedeihen kann. Im September waren sie, mit einem Sonderzug über die historische Strecke Prag – Dresden nach Berlin gereist, bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast gewesen, am Reformationstag gab es den Gegenbesuch vieler Gästen aus Deutschland zum Silberjubiläum im Zentrum Prager Kreuzung (ehemalige Kirche der Heiligen Anna / Kostel sv. Anny, heute kulturelle Begegnungsstätte Centrum Pražská křižovatka). Der Ort ist Freunden des Collegiums vertraut: hier finden nicht nur Konzerte mit den Alte-Musik-Spezialisten statt, hier haben sie in der Pandemiezeit auch die Videos aufgenommen und das digitale Universo 1704 begonnen.

Das Festkonzert beinhaltete nach den Begrüßungen Musik, für die das Collegium 1704 und die Musikbrücke Prag – Dresden seit über 15 Jahren stehen: Bach, Zelenka und Vivaldi. Gleichzeitig fungierte das Orchester nicht nur als Botschafter eines aktuellen Austausches, sondern setzte fort, was seit Jahrhunderten besteht – gerade unter Musikern ist die sächsisch-böhmische Achse von Bedeutung.

Johann Sebastian Bachs Orchestersuite C-Dur (BWV 1066) und Antonio Vivaldis Concerto g-Moll (RV 156) standen für einen gediegenen Klang und fein polierten Festglanz. Bach sorgte mit angemessenen Tempi, gemächlichem Schreiten und geschmackvollen Verzierungen für nie übertriebene Effekte. Vivaldis lebensfrohes Concerto an dritter Stelle des Programms war im Charakter durchaus offenherziger, näher an der Sinfonia einer Oper. Noblesse herrschte auch hier vor, so konnten sich im Allegro des letzten Satzes Gewitterguß und Feuer vereinen.

Höhepunkte waren dazwischen Jan Dismas Zelenkas Lamentatio II pro Die Veneris Sancto (ZWV 53 / 6) sowie Antonio Vivaldis Kantate »Cessate, omai cessate« (RV 648) mit Altus Benno Schachtner als Solisten. Zelenkas für die Heilige Woche komponierte Lamentation war in den Stimmen nur einzeln besetzt, stellte dem großartigen Altisten Violine, Oboe, Violoncello und Fagott gegenüber – ein phantastisches Quintett! Benno Schachtner konnte sich auf die Tragfähigkeit seiner Stimme verlassen, bewies Feingefühl und vermittelte Mühelosigkeit. Der Gediegenheit des instrumentalen Klangs entsprechend führte er nicht nur die Klagen, sondern alle Emotionen fein aus und legte in den Schluß (»Jerusalem, Jerusalem, kehr um zum Herrn, deinem Gott«) süße Verheißung.

In Vivaldis Kantate dann spiegelten sich ganz weltliche Gefühle – Trauer, Abscheu und Grausamkeit wurden in den Arien effektvoll dargestellt, wofür Václav Luks ein köstliches Pizzicato bereithielt (»Ah, die grausame Dorilla«). Kurz darauf untermalte ein subtiles Tremolo »grauenvolle Höhlen« oder »schauerliches Schweigen«. Benno Schachtner vollführte binnen weniger Verse den Wandel vom Erzähler zum emotional erfaßten Beteiligten, konnte Herzen besänftigen, aber auch seine Figur (Stimme) in Aufruhr geraten lassen. Im Abschluß – noch einmal ein wenig Con fuoco – steuerte er der spürbaren Hoffnung manche Spitze bei, noch in der Tiefe malte sein Altus die »bacchantischen Schatten« aus.

1. November 2023, Wolfram Quellmalz

Hinterlasse einen Kommentar