Kleine Jahreszeiten

Kurt-Masur-Akademie gab ein Stelldichein

Wie können sich die Akademisten eines Sinfonieorchesters am besten vorstellen? Normalerweise sitzen sie eher »hinten« an den Tuttipulten, allenfalls Bläser wie Flötistin Johanna Dabels fallen schon einmal auf, wenn man sich die Orchesterbesetzung im Programmheft durchliest. Am Sonntagvormittag gab es es im Kulturpalast Gelegenheit, die Kurt-Masur-Akademie der Dresdner Philharmonie einmal in Augenschein zu nehmen. Daß es sich dabei um ein Kammerkonzert handelte, war gar nicht so unpassend. Zunächst mag man meinen, das sei etwas ganz anderes als das Spielen im Orchester, doch zeigt sich immer wieder, daß gerade das Aufeinander Hören, essentiell im großen Verbund, gerade in der kleinen Formation geschult wird.

Ein klein wenig ging es dabei durch die Jahreszeiten, zumindest dem Empfinden nach. Denn Johann Sebastian Bachs Konzert für Trompete und Orgel D-Dur nach Antonio Vivaldi versetzte manchen mit seinem festlich- fröhlichen Charakter in die Winterzeit, in Wolfgang Amadé Mozarts Flötenquartett D-Dur (KV 285) führte mit seinem Vogelgesang dann schon wieder in den Frühling.

Doch wie man es auch auffaßte – Bachs prächtiger Beginn paßte wunderbar zu einem Sonntagvormittag. Aurel Dawidiuk (Orgel), der gerade mit dem Ernst-von-Schuch-Preis ausgezeichnet worden war und Philipp Hennigs (Trompete) hatten in den nächtlichen Probezeiten (gewöhnlich ist der Konzertsaal mit der Orgel abends ab 23:00 Uhr zugänglich) zu einer guten Partnerschaft gefunden. Nicht zuletzt galt es, die kleine Ansprechverzögerung der Orgel, und sei sie noch so kurz, ins Spiel zu integrieren – bei einem Duo so wichtig wie vielleicht nirgends sonst! Aurel Dawidiuk und Philipp Hennigs kehrten die Kantabilität genauso heraus wie die Virtuosität, die dem Trompeter im letzten Satz noch ein paar Extrasprünge abverlangte.

Mozarts Quartett kam da weniger aufgeregt, aber kein Jota weniger aufgeweckt daher. Immer wieder verliehen ihm gerade Johanna Dabels und Cellist Soobin An Konturen – der Komponist baute zwischen ihnen ein wesentliches Spannungsfeld auf. Ipek Atila (Violine) und Seohyun Park (Viola) sorgten für eine sichere Bindung, was ihnen besser und besser gelang. Im zweiten Satz hatten die Streicher mit Pizzicati den Frühlingsgestus wie mit Wasserfontainen erfrischt.

Aurel Dawidiuk bewies vor der Pause seine Fähigkeiten auf der Orgel und sorgte mit dem Choral Nr. 3 von César Franck für den vielleicht sinfonischsten Moment des Vormittags. Im Mittelteil schien das Werk auf eine Textzeile zu zielen (die es bei Franck aber nicht gibt), was ein wenig an Felix Mendelssohns Praxis erinnerte. Aurel Dawidiuks Interpretation konnte sich auch oder gerade vor dem Hintergrund der mehrfachen Beispiele hören lassen – César Franck war Jubilar 2022, seine drei Choräle hatten daher öfter in Konzertprogrammen gestanden. Seine überzeugende Vorstellung schloß der Organist mit einem kleinen Geschenk ab: Weil der Advent naht und der bereits aufgebaute Striezelmarkt im Schnee erstrahlte, improvisierte er über (vor)weihnachtliche Themen.

Portrait von Helmina von Chézy (Zeichnung von Wilhelm Hensel, 1821). Die Dichterin schrieb das Schauspiel »Rosamunde«, das heute nahezu vergessen ist, ganz im Gegensatz zur Bühnenmusik von Franz Schubert, Bildquelle: Wikimedia commons

Mit Franz Schuberts Quartett »Rosamunde« stand nach der Pause ein Schmuckstück der Kammermusik auf dem Programm. Zu Iveta Atila (jetzt zweite Violine), Seohyun Park und Soobin An gesellte sich Soyoung Park, die jetzt erste Violine spielte. Insgesamt sehr sauber, fehlte dem Quartett dennoch die Intensität und Tiefe. Den subtilen Gegensatz zu Beginn brachte vor allem das Violoncello hervor, auch schien es, daß die Führung weniger bei der Primaria, sondern noch einmal bei Iveta Atila lag. Doch soll diese Kritik nicht (zu) schwer wiegen, schließlich hat sich hier kein permanentes Quartett vorgestellt.

Als Akademisten bewiesen die vier eine großartige Instrumentenbeherrschung und eine Flexibilität, sich in verschiedene musikalische Partnerschaften zu finden.

26. November 2023, Wolfram Quellmalz

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