Dresdner Musikfestspiele mit Eldbjørg Hemsing und Alexei Volodin im Palais im Großen Garten
Das Dresdner Palais im Großen Garten erweist sich immer wieder als besonderer Aufführungsort, selbst dann, wenn der Sonnenuntergang durch die Fassadenverhüllung nur gedämpft nach drinnen dringt und der freie Ausblick verwehrt ist wie im Moment – die Atmosphäre ist dennoch einzigartig. Die norwegische Geigerin Eldbjørg Hemsing sorgte am Mittwochabend bei ihrem zu den Dresdner Musikfestspielen gehörenden Konzert für ganz besondere Farbnuancen, hatte sie doch ihrem Landsmann Edvard Grieg französische Kompositionen gegenübergestellt. Auch zwei Jahrhunderthälften (zweite 19. Jahrhundert / erste 20. Jahrhundert) standen sich gegenüber. Und doch bot sich weit mehr als zwei mal zwei Variationen der Violinsonate.
Nicht zu vergessen sind die italienischen (Eldbjørg Hemsing spielt eine Stradivari von 1707) und russischen Anteile. Pianist Alexei Volodin verfügt als ausgewiesener Kammermusikexperte nicht nur über Geduld, wenn er etwa wie in Ravels »Tzigane« gut vier Minuten in Stille bis zu seinem Einsatz verharren muß, er kann auch mühelos verschiedenste Begleitungen realisieren: vom sensiblen Duettpartner und einfühlahmen »Umgeber« bis zum energischen und sinfonischen Orchesterimitator.
Edvard Griegs Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 in G-Dur (Opus 13) verströmte zunächst fast kühle Farben. Violine und Klavier standen sich im Wechselspiel gegenüber, formten einen schlanken Ton (klar wie ein nordischer Wasserquell), der sich nach und nach belebte. Es war eine ganz »innerliche« Belebung, denn weder in Tempo noch Lautstärke forcierten Eldbjørg Hemsing und Alexei Volodin übermäßig. Überhaupt schien hier nichts »forciert«, sondern mühelos und natürlich.
Diese Natürlichkeit sorgte für einen sehr unmittelbaren Zugang zu Karol Szymanowskis »Mythes. Trois poèmes« für Violine und Klavier. Das Stück ist legendär, gehört zur wichtigsten Violinliteratur des 20. Jahrhunderts. Immer wieder attestierte man Szymanowski, für die Violine etwas Bedeutendes geschrieben zu haben wie Debussy für das Klavier. Doch während man die Préludes und Images des Franzosen regelmäßig hören kann, sind die »Mythen« des Polen im Konzertbetrieb eine Rarität geworden. Dabei bereichern die drei Erzählungen nach wie vor nicht nur die Musik, sondern Literatur, die Malerei und die Darstellenden Künste! »Die Quelle der Arethusa«, »Narziss« sowie »Pan und die Dryaden« bildeten im Konzert keine Einheit, sondern beschrieben drei unabhängige, selbständige Szenen, die jede für sich Aussagekraft und Charakter hatten. Erneut zeigte sich, daß Eldbjørg Hemsing und Alexei Volodin nicht nur temperamentvolle Passagen mit feinem Bogenstrich und Anschlag detailreich ausgestalten können – gerade die Selbstbespiegelung Narziss‘ verzauberte mit ihrem schwebenden Klang sowie einer Stille und Tiefe, die nachtschwarz, bodenlos schien.
Nach so mythischen und mystischen Ausflügen hatte die erste Sonate für Violine und Klavier (A-Dur / Opus 13) von Gabriel Fauré eine fast überwältigende Wirkung. Was aber weniger am Format, also der etwas längeren Dauer, als vielmehr am sinfonischen Gehalt lag. Fliehend und flirrend woben sich Violine und Klavier immer dichter zusammen, bewahrten aber einen leichten, gesanglichen Ton. Manchmal standen sie sich erneut gegenüber, als eröffne Alexei Volodin einen Erinnerungsraum, in den Eldbjørg Hemsing lerchenhaft hineinrief.
Mit einem ganz besonderen Stück schlossen die beiden Musiker ihr Programm. »Tzigane« von Maurice Ravel, eine Konzert-Rhapsodie, eigentlich für Violine und Orchester, bekommt man so gut wie nie im Konzert zu hören (eher schon im Podium der Musikhochschulen). Trotz (oder gerade wegen?) des »heißen« Kolorits kehrte Eldbjørg Hemsing einen rauhen, herben, lebendigen Ton heraus, der schließlich mit dem sanften, schweren Klang des Klaviers verschmolz. Nicht nur erzählerisch war das Stück, sein Rhythmus und Gestus behielt etwas Bewegliches, Tänzerisches.
Somit war das besondere Extra schon im Hauptprogramm erklungen – die eigentliche Zugabe, Edward Elgars »Salut d’amour« war in seiner simplen Schönheit fast schon unraffiniert.
16. Mai 2024, Wolfram Quellmalz
Buchtip: Eldbjørg Hemsing Landsmann Edvard Hoem hat in seinem Buch »Der Geigenbauer« die Geschichte eines Vorfahren, der um 1800 in Norwegen Violinen baute (von denen noch einige existieren), in einem wunderbar ruhigen Erzählton als Roman verarbeitet:
