Grüße aus Ungarn

Elbland Philharmonie besucht musikalisch den Vielvölkerstaat

Ekkehard Klemm ist derzeit mit der Elbland Philharmonie Sachsen im letzten offiziellen Sinfoniekonzert als Chefdirigent in der ganzen Region unterwegs. Fünfmal stand bzw. steht »Bilder aus Ungarn« auf dem Programm, am Donnerstag fand das erste Konzert in der Marienkirche Pirna statt. Ein Stück von Béla Bartók im Programm war dabei ein Herzenswunsch des scheidenden Dirigenten. Das famose Konzert für Orchester ließ sich wegen der Besetzungstärke leider nicht realisieren, auch wäre es in der halligen Kirche vielleicht fehl am Platz, aber die Tanzsuite Sz. 77 durfte es immerhin sein. Das Konzert für Orchester könne ja vielleicht sein designierter Nachfolger Hermes Helfricht an passender Stelle einmal nachholen. Ob das so kommen wird, kann man abwarten, das »letzte offizielle« öffnet in diesem Fall sicherer die Türen in die Zukunft als das »vielleicht«: daß Ekkehard Klemm – wenn auch ohne Chefposten – dem Orchester verbunden bleibt und wiederkommen wird, ist sicher.

Manche werden künftig sicher die typisch knappen, stürmischen Einführungen von Ekkehard Klemm vermissen. Diesmal erläuterte er neben der Werkentstehung unter anderem die weiten Verzweigungen der Familie Dohnányi und die musikalischen Einflüsse Ungarns, die teils sogar aus Arabien stammen.

Károly Markó »Ideale Landschaft« (Ölfarbe auf Leinwand, 36 × 41.5 cm, 1837), Österreichische Galerie, Wien, Bildquelle: Wikimedia commons

Die erste Konzerthälfte bot dann die Erfrischungen, während die zweite zwei verläßliche Klassiker bereithielt. An die Grenzen kam die Akustik der Marienkirche allerdings mehrfach, wie bei Franz Liszts Rakoczy Marsch. Einerseits zeigte sich darin ein bekanntes Stück (das sofort an Gounods »La damnation de Faust« erinnerte) neu gewandet und überraschte im militärischen Drill des Marsches, doch überschlug sich eben leider hier und da der Klang.

Mit Sebastian Fritsch, Solocellist der Sächsischen Staatskapelle, betrat danach ein besonderer Gast das Podium, der nicht nur mit Preisen dekoriert wurde, sondern seit seinem Amtsantritt in Dresden für einen herausragenden und individuellen Celloton sorgt. Ihn als Solist zu erleben, ist daher immer interessant. Diesmal hatte er sich Ernő (von) Dohnányis Konzertstück für Violoncello und Orchester D-Dur vorgenommen, das selbst für ihn neu war. Allerdings konnte das Werk trotzdem übermäßig überzeugenden Eindruck erwecken. Trotz Schumann, Mendelssohn oder Beethoven, in deren Tradition es wohl steht, trotz teils gewitzter Spiele gerade zwischen den Celli von Solist und Orchester (Echoeffekte und Kadenzbegleitung), trotz der exzellenten Wiedergabe auf beiden Seiten konnte der schmachtend elegische Ton nicht wirklich beglücken – ob Sebastian Fritsch das Stück im Repertoire behält? Immerhin hat er in den fünf Konzerten die Möglichkeit, dies gründlich auszuloten.

Auch dazu, die Dialoge mit der am Donnerstag besonders aufgeweckten Klarinette oder den Hörnern auszufeilen und damit die reizvollsten Passagen zu gestalten. Als Zugabe hatte Sebastian Fritsch leider nichts Ungarisches dabei. (Es sei denn, man ließe Bachs wahrscheinlich ungarische Vorfahren gelten.) Eigentlich schade, hätte es doch solche gegeben, denn Johann Sebastian Bachs Sarabande aus der ersten Cello-Suite (BWV 1007) wiewohl wunderbar poesievoll vorgetragen, wirkte ein wenig beliebig.

Kein bißchen beliebig ging es nach der Pause mit Bartóks Tanzsuite weiter, mit der das Orchester der Elbland Philharmonie sozusagen einen sinfonischen Sprung absolvierte. Und das nicht allein, weil die Besetzung bis zu einem Klavier immens gewachsen war, sondern weil Bartóks Raffinesse jene Dohnányis bei weitem übertraf. Schon wie der Komponist nur mit tiefen Streichern und Bläsern Stimmungen beschreibt, die Pizzicati diese reizen, aufbrechen, oder wie auf die Saiten geschlagene Bögen eine Art Schattenecho erzeugen, fügt dem mitreißenden Impuls des (multikulturellen) ungarischen Rhythmus‘ einen doppelten Boden, eine differenzierte Persönlichkeit hinzu. Neben den Bläsern flochten sich die Stimmen von Konzertmeisterin Agnieszka Guzek-Szymanska und Friederike Hübner (Solo-Bratsche), die zweite Violine schloß den Kreis. In den kommenden Konzerten, dann ohne den Klangüberschlag in der Kirche, dürfte sich dies noch reizvoller erweisen.

Die Tänze aus Galanta von Zoltán Kodály führten Bartóks musikalischen Sinn nicht nur in gewisser Weise fort, hier schloß sich zudem ein Kreis: die Uraufführung 1933 fand unter der Leitung von Ernő Dohnányi statt. Den bebenden Violoncelli fügte zunächst ein hoher Hornton Kontrast hinzu, in den, erst »flatternd«, dann anhaltend gesanglich, wieder die Klarinette einstimmte. Dem folgenden tänzerischen Überschwang setzte Ekkehard Klemm im Andante ein beruhigendes Tranquillo entgegen.

2. Mai 2025, Wolfram Quellmalz

Am 11. Mai noch einmal in den Landesbühnen Sachsen (Radebeul): »Bilder aus Ungarn«, Elbland Philharmonie Sachsen, Ekkehard Klemm (Leitung), Sebastian Fritsch (Violoncello), Werke von Liszt, Dohnányi, Bartók und Kodály

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