Kreuzorganist Holger Gehring im Orgelsommer
Einmal muß oder darf auch der einladende Kreuzorganist selbst beim Orgelsommer spielen. Gestern gestaltete Holger Gehring das Konzert in der Dresdner Kreuzkirche, das während der Sommerferien die Kreuzvesper ersetzt. Sein Programm war trotz des knappen 45-Minuten-Formates konzentriert.
Mit dem Allegro maestoso aus Edward Elgars Orgelsonate in G-Dur gelang der Beginn feierlich mit einer Spur Pompösität – daß der Rezensent hier zunächst ein wenig eine Meistersingerphantasie »hörte«, lag wohl an der Radioübertragung der Bayreuther Festspiele vom Vorabend. Vielmehr hatte sich Elgar bei sich selbst bedient, auf Material aus seiner Sinfonischen Kantate »The Black Knight« nach dem Libretto von Henry Wadsworth Longfellow zurückgegriffen. Im Ursprung lag also ein Text von Ludwig Uhland (»Der schwarze Ritter«) zugrunde, gottlob hatte der Eingangssatz der Orgelsonate mehr Pathos als Schauer!

Die verborgenen Texte bzw. der Anlaß zu »falschen Vermutungen« sollten erhalten bleiben, denn auch bei Johann Gottlob Schneiders Thema mit Variationen A-Dur konnte man (irrtümlich) vermuten, daß hier Worte hinterlegt sein müßten, beginnt doch sein Thema so schön rhythmisch im Da-da-daa-da eines Merkreimes. Ist es aber nicht! Sondern nicht mehr als ein schlichtes Motiv, das freilich frei umgeformt, umspielt, verschachtelt wird, pompös wird, als wollte es sich Bruckner nähern, dann harmonisch gewitzt durch die Register wandert, daß man Harmonium und Akkordeon zu hören meint.
Derweil ist der Ursprung des Werkes (oder die Anteile der Generationen Schneider) nicht restlos geklärt, die Zahl der Variationen sozusagen »zahllos« – Holger Gehring fand eine fröhliche Auswahl, die das Maß genau traf und sich in den kompakten Ablauf fügte.
Somit blieb ausreichend Zeit für César Francks großartiges Grande Pièce Symphonique Opus 17. Die vier ineinander übergehende Sätze zeigen eine erstaunliche Entwicklung: das Anfangsthema ist nicht Anstoß eines Präludiums, sondern wird sogleich in eine Verarbeitung überführt, fanfarenartig gesteigert. Diese Verarbeitung wird andererseits durch Momente des Verweilens und durch ein Herausheben der Stimmung übertroffen, mit einem schimmernden Intermezzo in den ersten Teilen, später folgen Abenddämmer- oder Sonnenuntergangsbilder. Franck entwickelt gerade einen Reiz im Wechselspiel motivischer Verarbeitung und solcher emotionaler »Bildern«, Holger Gehring führte ihn zielgerichtet in einen strahlenden Schluß bzw. eine Apotheose – ein guter Anfang gewissermaßen, mitten am (im) Wochenende.
27. Juli 2025, Wolfram Quellmalz
In der kommenden Woche ist Christiane Bräutigam (Torgau) zu Gast beim Orgelsommer (Eintritt frei). Auf ihrem Programm stehen Werke von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn.