Neuentdeckungen eines bedeutenden Tonschöpfers

Dresdner Kreuzchor zur Hammerschmidt-Ehrung in Zittau

Wer Andreas Hammerschmidt war, muß man Musikfreunden zwar nicht erklären, aber wie so oft oder gerade bei Personen, Gegenständen und Themen, die uns vertraut scheinen, lohnt es, zu hinterfragen, mehr zu entdecken. Denn der Organist von St. Johannis Zittau hat ein viel umfangreicheres Œuvre hinterlassen als ein paar beliebte Advents- und Weihnachtslieder um »Machet die Tore weit«.

Dieses Œuvre läßt sich gut entdecken, denn der bereits zu Lebzeiten hochgeschätzte Komponist hat einerseits eine ganze Reihe von Werken herausgegeben, andererseits ist ihm das Glück widerfahren, daß seine Sammlung an handschriftlichen Aufzeichnungen erhalten blieb und nicht in alle Welt verstreut ist. Vor genau zehn Jahren präsentierte der Verlag Klaus-Jürgen Kamprad den ersten Band einer Gesamtausgabe, deren jüngster Beitrag, die Missae I–XVI (1663), gerade erschienen ist.

Hammerschmidt-Ehrung in St. Johannis Zittau mit dem Dresdner Kreuzchor, Photo: © Rafael Sampedro

Klaus-Jürgen Kamprad ist neben dem Musikwissenschaftler und Herausgeber Dr. Sven Rössel eine der wesentlichen Stützen der Zittauer Hammerschmidt-Ehrung, die am Reformationstag mit einem Konzert des Dresdner Kreuzchores einen Höhepunkt fand. Ein ganzes Festjahr ist zum 350. Todestag des Komponisten Andreas Hammerschmidt gewidmet, wobei die Begeisterungsfähigkeit für das Thema Sven Rössel nicht nur den Violone spielen ließ, sondern auch andere ansteckte, nicht zuletzt, als es darum ging, Geld für das Projekt zu requirieren – die Anwesenheit von Sachsens Ministerpräsident und des Zittauer Oberbürgermeisters unterstrich dies nicht nur pro forma. So fragte Michael Kretschmer, wie man den Reformationstag schöner feiern könne als mit solch einem Festkonzert und verwies auf die Reihe der vielen Veranstaltungen und Projekte, die in Zittau über Andreas Hammerschmidt hinaus bereits realisiert wurden, wie etwa mit der Ausstellung zu den Zittauer Fastentüchern. Oberbürgermeister Thomas Zenker konnte dem später nur zustimmen und freute sich, zum mittlerweile festen Termin des Konzerts so viele bekannte Gesichter wiedersehen zu können. Auch er hob die Tatkraft und Beharrlichkeit von Sven Rössel als Motivator hervor.

Ministerpräsident Michael Kretschmer vor dem Dresdner Kreuzchor, Photo: © Rafael Sampedro

Mit diesen Eigenschaften hatte er sicher ebenso Kreuzkantor Martin Lehmann eingefangen, der bereits seit Beginn des Schuljahres regelmäßig Hammerschmidt-Werke in den Kreuzchorvespern singen läßt. Insofern »eingesungen« konnte der Kreuzchor eine ganze Reihe von Werken präsentieren und nicht nur verschiedene Polyphonie und Mehrchörigkeit darstellen, sondern auch zahlreiche Soli einbinden.

Das Dresdner Barockorchester um Margret Baumgartl war dafür als weiterer Partner gefunden und sorgte bereits bei »Wohl dem, dem die Übertretung vergeben sind« (HaWV 298) für eine Einleitung (Orgelvorspiel: Sebastian Knebel). Über ein reines Begleiten hinaus gewann das Programm so durch den Wechsel von a-cappella– und konzertierenden Passagen, was durch Zink (Matya Houf) und Posaunen (Julia Nagel, Janos Orban, Clemens Erdmann) noch überhöht und betont wurde, wie im Kontrast der Wiederholungen gleich bei »Wohl dem …«.

Andreas Hammerschmidt an dessen ehemaliger Wirkungsstätte neu entdecken: der Dresdner Kreuzchor, Photo: © Rafael Sampedro

Vor allem aber ließen sich die von Andreas Hammerschmidt vertonten Texte auf diese Weise neu erfahren – viele hatte er während seiner Zittauer Zeit an St. Johannis (einem Vorgängerbau der heutigen Kirche) geschrieben. Darüber hinaus standen dem exilierten Böhmen einzelne Kompositionen von Heinrich Schütz oder Johann Pachelbel gegenüber.

Oberbürgermeister Thomas Zenker mit den neuesten beiden Bänden der Hammerschmidt-Gesamtausgabe (Kamprad), Photo: © Rafael Sampedro

Der Kreuzchor konnte in den sich verzweigenden Zeilen der Mehrstimmigkeit kraftvoll mitreißen, fand aber in Einzelstimmen bis in Soli zu einer tragfähigen Verfeinerung. So entfaltete Johann Pachelbels »Gott ist unser Zuversicht und Stärke« seine mitreißende Wirkung, Andreas Hammerschmidts Fassung von »Verleyh uns Friede genädiglich« (HaWV 306) mit seinen Soli gewann in der Innigkeit der Bitte eine besondere Eindringlichkeit. Daß die Werke Heinrich Schütz‘, vor allem »Ich bin ein rechter Weinstock« (SWV 389) letztlich kunstvoller, ein wenig reichhaltiger erschienen, tat der Wertschätzung und Begeisterung für Hammerschmidt keinen Abbruch.

Initiator und Motivator Sven Rössel am Violone, Photo: © Rafael Sampedro

Den musikalischen Entdeckungen fügte der Kreuzchor das Vaterunser in Andreas Hammerschmidts Vertonung (HaWV 305) wie ein Himmelsgeschenk hinzu. Das Dresdner Barockorchester hatte die Folge mit einigen Instrumentaltiteln bereichert. Letztlich durfte das Publikum im seit Wochen ausverkauften Konzert mitsingen: Johann Abraham Peter Schulz‘ »Der Mond ist aufgegangen« als Abendgruß.

1. November 2025, Wolfram Quellmalz

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