Junge Pianisten stellten sich im Coselpalais vor
Klassenabende, meist »Podium« genannt, sind eine wertvolle Auftrittsmöglichkeit für Musikstudenten. Erfahrung zu sammeln gilt hier nicht nur allgemein, sondern fließt direkt in genau das ein, was sie augenblicklich bearbeiten, studieren. Oft, gerade in größeren Klassen der Streicher, Bläser oder Pianisten, sind viele verschiedene Einzelbeiträge zu erleben, herausgelöste Sätze aus unterschiedlichen Werken oder auch drei bis vier Studenten, die sich eine Sonate »teilen«. Zunehmend folgen die Podien der Dresdner Musikhochschule aber einem »roten Faden« oder erhalten einen durch die Dozenten vorgegebenen thematischen Rahmen. Die Pianistin Annika Treutler, die seit etwa eineinhalb Jahren Professorin an der HfM ist, hat für einige ihrer Klassenabende ein Podium etabliert, das außerhalb der Musikhochschule ein Publikum mitten in der Stadt anspricht. Das Coselpalais hatte Bert Kirsten mit seinem Pianosalon über viele Jahre als Konzertort etabliert, an dem auch junge Talente auftraten. Heute setzt das C. Bechstein Zentrum Dresden diese Idee fort.
Am frühen Mittwochabend waren hier vier Studenten aus der Klasse von Annika Treutler zu erleben. Sie alle hatten sich auf je ein ganzes Werk vorbereitet, womit das Podium fast einem normalen Klavierabend entsprach. Wie dort manchmal durfte Joseph Haydn eröffnen – Sera Yang spielte seine Sonate Es-Dur (Hob. XVI:49). Natürlich auf einem modernen Bechstein-Flügel, keinem Cembalo oder Hammerklavier. Doch Haydn ist (wie der später folgende Mozart) wegen seiner vermeintlichen Schlichtheit oft unterschätzt. So bot die Sonate Es-Dur mehr Dramatik als eine kleine Ouvertüre. Die junge Pianistin traute sich (und Haydn) aber eine forsche Gangart im Allegro zu – Haydn hätte das sicher imponiert. Bald aber gewannen die frohen Töne die Oberhand, durfte das Menuett lebendige Munterkeit versprühen. Dennoch hätte man sich etwas mehr Nachklang, nicht nur nach dem Schlußton, gewünscht, auch im Adagio cantabile. Mit dem Pedal ging Sera Yang allerdings sehr vorsichtig um.

Chiwon Lee stand mit Wolfgang Amadé Mozarts Sonate F-Dur (KV 332) vor einer ähnlichen Herausforderung, fand im Wechselspiel zwischen Melodie und betontem Baß aber eine größere Belebung. Das Adagio war in seiner Gesanglichkeit mit Haydn vergleichbar, Chiwon Lee ließ es gelassen Gestalt annehmen, um ein munter sprudelndes Allegro assai anzuschließen. Solche Beiträge sind nicht zuletzt deshalb interessant, weil man an ihnen miterleben kann, wie sich eine junge Pianistin oder ein Pianist entwickelt, in der Gestaltung freier wird. Um so schöner ist es, wenn einige Teilnehmer – so wie hier – bereits im Podium gespielt haben oder man sie wiederhören können wird.
Das trifft auch auf Ksenia Goretzka zu, die Johannes Brahms‘ drei Intermezzi Opus 117 aufgelegt hatte. Die kleinen Werke – zu groß für Miniaturen, zu konzentriert für einen Sonatensatz – bergen eine Fülle von vermuteten Gedanken aus dem Spätwerk des Komponisten und eröffnen eine große Möglichkeit der emotionalen Deutung. Ksenia Goretzka fand einen goldenen Mittelweg, diese Gefühle hineinzulegen, sie aber nicht zu stark zu betonen. Meist wechselt Brahms in seinen Intermezzi die Stimmung – die Pianistin band diese mit Tempowechseln und dosierter Pedalbehandlung bis zum grüblerischen Einschub des Andante con moto gekonnt zusammen. Nur der Schlußton, der letzte, bleibende Eindruck sozusagen, ist oft ein Problem, verlischt zu schnell.
Mirjam Hinrichs, die neu in die Klasse von Annika Treutler kam, wählte für Robert Schumanns Fantasiestücke Opus 12 eine nicht nur forsche, sondern jugendlich-übermütige Spielart. Auch dies könnte dem Komponisten gefallen haben, einerseits wegen seines zur Zeit des Komponierens noch jungen Alters, andererseits wegen seiner Nähe zu emotionalen Szenen und Bildern. Der »Aufschwung« geriet Mirjam Hinrichs selbstbewußt, beinahe heftig, doch zeigte »In der Nacht« glaubhaft, wie aufgewühlt man zu später Stunde sein kann. »Des Abends« hatte dagegen geruhsam begonnen, ganz so, wie man »auspendelnd« den Tag beschließen möchte. Dieses Pendel hatte Mirjam Hinrichs eingefangen.
11. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz
Das C.Bechstein-Zentrum Dresden bietet zahlreiche Klavier- und Kammermusikabende. Das nächste Podium der HfM findet am 14. Januar statt.